Mönchengladbach Slash und Mötley Crüe heizen Fans ein

Mönchengladbach · Mit dem gemeinsamen Konzert von Gitarrist Slash und der Band Mötley Crüe stand am Montagabend das nächste Rock-Konzert im Warsteiner Hockeypark an. Hierbei heizte der US-Amerikaner den rund 5000 Fans ordentlich ein.

2012: Slash rockt den Hockeypark
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Es muss ein Heer Schutzengel geben, das Rock-Musik liebt. Nicht jenes weichgewaschene, durch den Computer gejagte Wohlfühl-Imitat, sondern hartes, kompromissloses Handwerk, kreischende Gitarren und von Whisky und Tabak gefolterte Stimmbänder. Anders ist es kaum zu erklären, dass jetzt Mötley Crüe und die Gitarren-Ikone Slash auf der Bühne des Hockeyparks wüteten.

Drogenexzesse, Orgien, Süchte, Scheidungen und Prozesse. In jeden menschlichen Abgrund hatten sich der ehemalige Leadgitarrist von Guns N'Roses und die Rock-Veteranen aus Kalifornien in den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts gestürzt. Wer damals gewettet hätte, auch 2012 würden die Musiker noch auf der Bühne stehen, überhaupt noch unter den Lebenden weilen — der Einweisung des Hausarztes wäre er wohl nur knapp entronnen.

Dabei benahmen sich die Gäste an diesem Abend wie Schweizer Internatsschüler. Zumindest was den Zeitplan betraf: Punkt 19.15 Uhr betrat Slash die Bühne, sein Haar noch immer schwarz gelockt, auf seiner Nase die gespiegelte Sonnenbrille, auf seinem Kopf der obligatorische Zylinder. Gleich der erste Gitarrengriff des Veteranen jagte wie eine Kreissäge durch den Hockeypark. Der amerikanische Sänger Myles Kennedy begleitete den rund einstündigen Auftritt des Gitarristen. Doch die Augen wanderten immer wieder zu ihm, dem Mann mit dem Zylinder, Gekreische, wenn er seinen Fuß in typischer Pose auf die Frontlautsprecher stellte, die Gitarre ins Senkrechte hievte und mühelos durch seine Solos glitt. Im Streit verließ Slash Mitte der 90er-Jahre Guns N-Roses. Dennoch stimmte er die Klassiker der Band "Sweet Child of Mine" und "Paradise City" an. Nicht nur sein markantes Spiel, auch der frenetische Jubel der überwiegend in Lack und Leder angereisten Fans — einiges erinnerte an die Jahre des großen Erfolges.

Eine halbe Stunde kehrte tatsächlich Ruhe ein in den Hockeypark. Um 20.45 Uhr dann stürmten Mötley Crüe ins Freie. Auch sie überpünktlich. Weltweit 50 Millionen Alben hat die Band bis heute verkauft. Als "Mann mit der Helium-Stimme" wird Sänger Vince Neil seit jeher von den Anhängern geliebt, von den Kritikern verunglimpft. Inzwischen ist Neil 51 Jahre alt. Verblasst ist seine Stimme nicht: In Regionen peitschte er sie auch am Montagabend, in die sonst nur Katzen vorstoßen, denen man versehentlich auf den Schwanz getreten ist. Souverän spulte die "Crüe" ihr Programm ab, mischte Klassiker wie "Shout at the Devil" und "Dr. Feelgood" mit aktuelleren Titeln. Ein Höhepunkt des Abends: Schlagzeuger Tommy Lee. Jüngeren eher bekannt durch seine Exzesse und die Skandal-Liaison mit Über-Playmate Pamela Anderson, bewies Lee, dass er auch heute noch mit seinen Drumsticks Euphorie säen kann. Selbst kopfüber: Auf einem meterhohen Stahlring waren Schlagzeuger und Instrument befestigt, mehrmals umkurvten sie die 360 Grad, ohne dass Lee sein Spiel beendet hätte.

Nur für etwa zehn Minuten murrten die Fans: Aufgrund von Anwohnerbeschwerden hatte das Hockeypark-Team die Lautstärke zunächst übermäßig gedrosselt. Doch nicht jeder bemerkte es. "Nein, das haben wir gar nicht mitbekommen", sagte Stefanie Draeger (25) nach dem Konzert. Gemeinsam mit Jens Göttfert (25) war sie aus Bonn angereist. "Es war ein tolles Konzert", schwärmte Göttfert. "Ich bin Mötley-Crüe-Fan, seit ich Musik höre."
Was an diesem Abend vielleicht am meisten verblüffte: Inzwischen weckt der Hardrock mit all seiner Wucht und Brutalität bisweilen die Melancholie. Noch heute steht er für die Revolte gegen verordnete Tugend, für die Sorgenfalten der Eltern pubertierender Kinder, für den Kommentar älterer Generationen: "Wie kann man nur solchen Krach hören?" Mötley Crüe und Slash ließen keinen Zweifel: Man kann, man muss — vielleicht erst recht in der Gegenwart. Ihre Schutzengel werden das wissen.

(ape/ila)
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