Mönchengladbach Guns N' Roses ließen sich bitten

Mönchengladbach · Das Perfide am Wörtchen "anschließend" ist, dass es so gut wie alles bedeuten kann. Zum Beispiel eine quääääälend lange Zeitspanne von 64 Minuten. Die nämlich verstrich am Freitag zwischen dem letzten Akkord der Vorgruppe Rival Sons und den ersten Klängen der US-Rocker von Guns N' Roses.

 Axl Rose vor einigen Tagen auf der Bühne in Rotterdam.

Axl Rose vor einigen Tagen auf der Bühne in Rotterdam.

Foto: dpa, Paul Bergen

Da war es dann schon 21.49 Uhr, aber immerhin: Dann gab's endlich die ersehnte Pyrotechnik, Axl Rose plärrte "Chinese Democracy" in die einbrechende Nacht über dem Hockeypark — und in die Gesichter der mehr als 16.000 Fans zog ein selig-entrücktes Lächeln.

Guns N' Roses, das ist Bombast-Stadion-Rock mit Feuerwerk, großen Posen und zur Schau gestellter Männlichkeit, wie er in den Achtzigern salonfähig wurde — und eigentlich auch nur in den Achtzigern salonfähig blieb. Selten tourt die Band, deren einziges verbliebenes Gründungsmitglied ihr exzentrischer Frontmann Axl Rose ist, und noch seltener kommt sie nach Deutschland. Der gestrige Auftritt war der sogar der einzige im Rahmen der aktuellen Tour, zuvor hatten die Fans jahrelang auf einen Auftritt in der Bundesrepublik warten müssen. Insofern waren sie auch aus dem ganzen Bundesgebiet angereist.

Und sie waren nicht umsonst gekommen: Zwar ließen sich die "Gunners" mächtig Zeit, bis sie ihre großen Hits wie "November Rain", "Don't cry", "Welcome to the jungle" und "Knockin' on heaven's door" zum Besten gaben. Doch immerhin, sie kamen. Und überhaupt — wer ein Fan von Guns N' Roses ist, ist Warten gewöhnt. Geduld ist seine wohl herausragendste Tugend. Schließlich war das 2008 erschienene Album "Chinese Democracy" so etwas wie der älteste Treppenwitz der Rock-Geschichte — schon 1994 war es zum ersten Mal angekündigt worden. Und auch das Verschleppen von angekündigten Konzert-Beginnzeiten hat bei den Kaliforniern lange Tradition und gehört aller Wahrscheinlichkeit nach zum Konzept: Vor einigen Tagen in Manchester kletterte die Truppe erst um 23 Uhr auf die Bühne, und 2010 im Lima begann sie einmal sogar erst mit dreieinhalbstündiger Verspätung.

Leidenschaft kam nicht rüber

Am Freitag hielt sich die Wartezeit also quasi noch im Rahmen, und die Hardcore-Fans (auf wieder ausgerollten Kunstrasen-Schutzteppichen!) waren sofort begeistert. Für diejenigen im Publikum (es waren nicht wenige), die die Blütezeit von Guns N' Roses in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern nicht selbst bewusst miterlebt hatten, reihte sich zunächst allerdings erstmal ein eher unbekannter Song an den nächsten, auch die Interaktion des Sängers mit dem Publikum fiel eher spärlich aus. Vielleicht lag der mangelnde Bedarf nach Tuchfühlung und Kommunikation ja daran, dass Rose vor kurzem in Paris von einer jungen Frau bei einem Konzert vorübergehend wertvoller Schmuck geklaut worden war.

Besonders auf der Tribüne kamen die "Gunners" denn auch nicht uneingeschränkt positiv an — 70 bis 80 Euro waren für die Tickets zu berappen, und die absolute Leidenschaft kam nicht rüber. "Ganz schön lieblos", fand einer, "die Pyrotechnik ist noch das Beste an der Show" ein anderer. Nach anderthalb Stunden begannen sich die hinteren Reihen auf der Tribüne zu leeren, und die Erkenntnis waberte über der Arena: Hier mal ein Piano-Solo, da mal eine Anlehnung an "Another brick in the wall" — alles ganz nett, alles ganz gefällig, alles ganz rockig, aber der richtige Funke, der wollte irgendwie nicht überspringen. Immerhin: Guns N' Roses sind frisch in die Rock'n'Roll Hall Of Fame aufgenommen worden, und da gehören sie da auch hin. Aber die Achtziger sind eben doch vorbei.

(RP/top)
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