Mönchengladbach Inklusion: Förderschulen vor dem Aus

Mönchengladbach · Seitdem Eltern das Recht haben, ihr Kind mit Handicap an einer allgemeinen Schule anzumelden, schrumpfen die Förderschulen rasant. Weil es vom Land immer noch keinen Aktionsplan für die Inklusion gibt, herrscht Chaos.

Seitdem Politiker die Bildung als ungemein wichtiges Thema erkannt haben, überschlagen sich die Reformen. In den Schulen hat man sich fast schon daran gewöhnt, dass viele Dinge im Handstreich geändert werden. Jetzt zieht wieder eine Neuerung ein: die Inklusion, Bildung ohne Ausgrenzung. Oder anders gesagt: das Recht von Eltern, ihre Kinder mit Behinderung auf allgemeinen Schulen anzumelden. Im Prinzip sind alle dafür. Über die Umsetzung wird auch schon über ein Jahr geredet. Und trotzdem herrscht Verunsicherung auf allen Seiten. Lehrer an allgemeinen Schulen fragen sich, ob sie ausreichend ausgebildet sind, Sonderpädagogen, wo sie künftig arbeiten, Eltern, ob ihr Kind die richtige Förderung erhält, und Schulen, ob die finanzielle und personelle Ausstattung reicht.

Der Grund: Bis heute gibt es keinen Aktionsplan zur Verwirklichung der Inklusion. Und wann das Land das neue Schulrechtsänderungsgesetz vorlegt, ist auch noch nicht klar. Wie sich diejenigen fühlen, die die Inklusion trotzdem jetzt schon umsetzen müssen, umschreibt Schuldezernent Dr. Gert Fischer mit folgenden kernigen Worten: "Da wird dem Schulträger alles vor die Füße geknallt und gesagt: Macht mal!"

Schon jetzt ist klar: Viele Eltern machen von ihrem Recht Gebrauch und melden ihr Kind mit Handicap auf einer allgemeinen Schule an. Tatsache ist auch: Es gibt einen rasanten Schrumpfungsprozess bei Förderschulen.

Bereits jetzt empfiehlt der Schulträger, die Förderschule Hehnerholt (Förderschwerpunkt: Lernen) auslaufend aufzulösen. Schon zum Schuljahr 2011/12 habe die Schule nicht mehr die vorgeschriebene Mindestschülerzahl von 144 gehabt, so Fischer. Für das Schuljahr 2012/13 wurde eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Ob das für das Schuljahr 2013/14 noch Sinn macht, ist nach Ansicht der Verwaltung fraglich.

Der Lehrerrat wehrt sich: "Bei einer auslaufenden Auflösung besteht für den Großteil unserer Schülerinnen und Schüler lediglich die Option, an einer anderen Förderschule ihre Schullaufbahn fortzusetzen, da zurzeit die Kapazitäten im Gemeinsamen Unterricht und den Integrativen Lerngruppen nicht ausreichend sind." Das stimmt: Nach Angaben der Unteren staatlichen Schulaufsicht fehlen für das kommende Schuljahr noch mindestens zwei integrative Lerngruppen.

Die Förderschule Hehnerholt ist nicht die einzige Förderschule auf der Kippe: Die Verwaltung geht davon aus, dass die Schülerzahlen an den Förderschulen Anne-Frank, Rheydt und Wiedemannstraße, die im Verbund geführt werden, auch unter 144 sacken werden.

Die schnelle Umsetzung der Inklusion führt aber zu weiteren Fragen: Sind die neuen Inklusionskassen richtig zusammengesetzt? Wünschenswert wäre, dass Schüler mit gleichem oder ähnlichem Förderbedarf an einer Schule wären, damit sich auch der entsprechend ausgebildete Sonderpädagoge im allgemeinen Unterricht um sie kümmern könnte. Doch für diese Auswahl und Entscheidung bleibt laut Schulamtsdirektorin Ursula Schreurs-Dewies viel zu wenig Zeit.

Außerdem: Für die Inklusion wird aus Düsseldorf kein neuer Lehrer zugewiesen. Ursula Schreurs-Dewies: "Die Mönchengladbacher Ressourcen müssen ausreichen." Da es jetzt schon zu wenig ausgebildete Förderschullehrer gibt, ist es durchaus möglich, dass ein Sonderpädagoge weiter an der Förderschule arbeitet und zusätzlich für je ein bis drei Stunden an allgemeinen Schulen.

An das Aus für alle Förderschulen glaubt Schuldezernent Fischer nicht: Schulen für geistig Behinderte oder für Kinder mit Sprachstörungen würden wahrscheinlich weiterbestehen. Man müsse möglicherweise über Kompetenzzentren nachdenken.

(RP/ac)
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