Mönchengladbach Schwieriges Bemühen um Seele der Musik

Mönchengladbach · Maria Benyumova leitete das 2. Chorkonzert des Theaters. Beethovens Messe C-Dur erwies sich als Herausforderung.

 Auf drei engen Gerüststegen musste der Niederrheinische Konzertchor sich vor der Apsis der evangelischen Hauptkirche aufstellen. Dabei wurde der wenige Platz vollständig ausgenutzt.

Auf drei engen Gerüststegen musste der Niederrheinische Konzertchor sich vor der Apsis der evangelischen Hauptkirche aufstellen. Dabei wurde der wenige Platz vollständig ausgenutzt.

Foto: Hans-Peter Reichartz

Tiefe Empfindungen verbanden die Kompositionen, die am Mittwochabend in der evangelischen Hauptkirche in Rheydt erklangen. Für das 2. Chorkonzert des Theaters hatte Chordirektorin Maria Benyumova zwei Werke der Wiener Klassik bzw. Romantik ausgewählt, Franz Schuberts sogenannte "Unvollendete" und Beethovens Messe C-Dur.

Diese Programmgestaltung ist reizvoll, da hier zwei Antipoden des beginnenden 19. Jahrhunderts in ungewohnter Weise einander gegenübergestellt werden: Beethoven, der Meister der Sinfonik, ist mit einem Vokalwerk vertreten, Schubert, der Schöpfer unzähliger Gesangmelodien, tritt als Komponist für Orchester in Erscheinung. Beide Tondichter bewunderten einander für ihre Stärken und lobten in Briefen und persönlichen Gesprächen den Individualstil des jeweils anderen.

Schuberts ganz eigenwilliger Stil zeigt sich in seiner h-Moll-Sinfonie nicht nur durch den wehmütigen Tonfall, welcher in vielen Liedern, Klavierstücken und Streichquartetten ebenso zu finden ist, sondern vor allem dadurch, dass entgegen allen Konventionen die Sinfonie nach dem zweiten Satz abbricht. Mit präziser Akkuratesse und brillanter Feinarbeit lenkt Maria Benyumova die Niederrheinischen Sinfoniker durch das Werk, jede Figur wird dabei beleuchtet und bewusst gemacht. Die entstehende, selten gehörte Transparenz deckt jedoch Lücken des Orchester in der Intonation auf, auch gerät bei allem perfekten Phrasieren im Kleinen der Spannungsbogen im Großen aus dem Fokus: Nüchterne Klänge reihen sich aneinander, klagende Wehmut blitzt zwar immer wieder auf, entwickelt sich aber nicht zur Seele der Aufführung.

Ihre exzellente Schlagtechnik stellte die junge russische Dirigentin auch in Beethovens Messe in C-Dur unter Beweis. Hier folgte nicht nur das Orchester ihrer Hand, sondern auch der rund 60-köpfige Niederrheinische Konzertchor sowie die Solisten Izabela Matula, Charlotte Reese, Michael Siemon und Andrew Nolen. Bei weitem nicht so zukunftsweisend wie ihre große Schwester, die "Missa solemnis", stellt die Messe in C-Dur dennoch eine große Herausforderung für den Chor dar. Starke dynamische Kontraste und große Intervalldurchschreitungen auf engstem Raum tragen Beethovens Handschrift, eine Nähe zu zeitgleich entstandenen Werken wie seiner einzigen Oper "Fidelio" sind gut hörbar. In der musikalisch-rhetorischen Behandlung des lateinischen Messtextes, in der Schlüsselsätze wie "Ich glaube an den einen Gott" und "Verleih uns Frieden" bewusster kaum umgesetzt werden können, spiegelt sich der Glaube des Bonner Komponisten. Gerade dieses Verständnis für die liturgisch gebundene und für einen solchen Anlass entstandene Messe scheint der musikalisch einwandfreien Interpretation untergeordnet gewesen zu sein. Nichtbedenken des Textinhalts sprach nicht nur aus Gesichtern und Gesang, sondern auch aus den opernhaft wirkenden Lautstärkegraden. Ein inniges "Herr, erbarme dich", zumal im Kirchenraum gesungen, ist zwar verwandt mit einem sich nach Freiheit sehnenden "Gefangenenchor", aber eben doch nicht das Gleiche. Im Ganzen fehlte auch hier trotz perfekter Umsetzung des Notentextes die Seele des Werks.

(CHR)
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