Mönchengladbach Die Zuschauer kommen zurück

Mönchengladbach · redaktionsgespräch Theaterintendant Michael Grosse erklärt, wie er verlorene Abonnenten zurückgewinnt und wie er Geld aus der Wirtschaft einwirbt. Außerdem erzählt er, woran er mit verbundenen Augen erkennt, ob er in Gladbach oder Krefeld auf der Bühne steht.

 Michael Grosse ist nicht nur künstlerischer Leiter des Gemeinschaftstheaters, sondern als Geschäftsführer auch für die Finanzen verantwortlich. Außerdem ist er in mehreren Produktionen als Schauspieler zu sehen.

Michael Grosse ist nicht nur künstlerischer Leiter des Gemeinschaftstheaters, sondern als Geschäftsführer auch für die Finanzen verantwortlich. Außerdem ist er in mehreren Produktionen als Schauspieler zu sehen.

Foto: Detlef Ilgner

Herr Grosse, das Theater hat eine gute Million Euro Überschuss erwirtschaftet. Wie ist Ihnen das gelungen?

Grosse Das war zu erwarten. Davon ging ja die gesamte Finanzplanung aus: Zuerst sollen Überschüsse erwirtschaftet werden, die zur Überbrückung der Durststrecke dienen. Die Gesellschafter haben im letzten Jahr die Zuschüsse um 900 000 Euro erhöht. Auch gab es eine unerwartete Erhöhung der Landesmittel um 300 000 Euro. Davon bezahlen wir die Investition in die Mikroport-Technik für unser Haus. Wir wären daher unruhig und nervös geworden, wenn wir nicht mit einem solchen Überschuss abgeschlossen hätten. Insbesondere da es in diesem Jahr zu einem neuen Tarifabschluss kommen wird, bei dem wir mit einer zweiprozentigen Erhöhung pro Jahr in die Planung gegangen sind. Es gibt viele Unwägbarkeiten, so dass wir diesen Gewinnvortrag brauchen.

Sie werden das Geld auch brauchen, um Abonnenten zurückzuholen, die Sie während der Sanierung verloren haben, oder?

Grosse Das kann man bisher nicht so genau sagen. In Krefeld zum Beispiel hat es zwei Jahre gedauert, bis man ein Jahr Schließung kompensiert hatte. Mit Blick auf Gladbach würde das bedeuten, wir bräuchten vier Jahre. Davon gehen wir allerdings nicht aus. Bereits in diesem Jahr werden wir die für die Einnahmen notwendige Zuschauerzahl übertreffen. Doch damit sind wir natürlich noch lange nicht auf dem Level, auf dem wir zu Spitzenzeiten waren.

Sie planen, die Eintrittspreise um 15 Prozent zu erhöhen. Schreckt man damit die Zuschauer nicht eher ab?

Grosse Wir gleichen zunächst nur die Preise an. Es macht keinen Sinn, in einer gemeinsamen Gesellschaft an verschiedenen Standorten verschiedene Preise zu verlangen. Das Produkt ist ja das gleiche. Zudem ist die Erhöhung notwendig, damit unser Finanzkonzept aufgeht. Erhalten bleiben aber die Ermäßigungstatbestände unserer Abonnements.

Wir befinden uns mitten in der Spielzeit. Zeichnet sich schon ein Trend der Erholung nach dem Umzug ab?

Grosse Wir sind jedenfalls deutlich über dem, was wir prognostiziert haben. Wir liegen im Schnitt mit 40 Besuchern pro Abend über unserer Prognose. Aber wir sind noch lange nicht bei 70 oder 80 Prozent Auslastung.

Was sind denn momentan die beliebtesten Aufführungen?

Grosse Die Rocky Horror Show läuft sehr gut. Der Figaro läuft gut, auch das Weihnachtsmärchen hatte eine hervorragende Resonanz. Ronja Räubertochter haben ungefähr 18 000 Besucher gesehen. Ich denke, dass wir ab April mit Faust eins und zwei und Romeo und Julia noch zwei weitere Publikumsmagneten haben werden. Auch sehen wir schon jetzt an den Vorverkaufszahlen, dass die Fledermaus wahrscheinlich gut laufen wird.

Neu an Ihrem Ansatz ist der hohe Sponsoringanteil. Im Theatergewerbe war es doch früher etwas verpönt, sich von der Wirtschaft abhängig zu machen. Ist das für Sie eine Gratwanderung?

Grosse Die Kooperation mit der Gladbacher Bank bei Ronja Räubertochter hat sehr gut funktioniert. Wichtig ist, dass sich hinter dem Sponsoring keine inhaltliche Einflussnahme verbirgt.

Muss ein moderner Intendant immer öfter auch Klinkenputzen gehen? Insbesondere, wenn er Geschäftsführer ist?

Grosse Ja, das ist eine klassische Geschäftsführer-Tätigkeit, die ich aber gerne erledige.

Um die Besucher zurückzugewinnen, müssen Sie doch auch verstärkt ins Marketing gehen? Wo legen Sie Ihre Schwerpunkte?

Grosse Zunächst versucht man natürlich, alte Kontakte wieder zu aktivieren. Daher sind wir gerade dabei, eine Datenbank für die Kundenpflege zu entwickeln. Ich denke, insbesondere in dieser Region hat die persönliche Ansprache einen hohen Stellenwert. Bis hin zu Beschwerdebriefen, die ich alle versuche, persönlich zu beantworten – oder am Telefon zu klären. Zudem schauen wir verstärkt in die Niederlande. Zuletzt muss man natürlich auch Kontakte zu den Kulturpartnern in der Stadt herstellen, um gemeinsame Aktionen durchführen zu können.

Wie kann man denn überhaupt in dieser Region ein Theaterhaus vernünftig positionieren, wo es doch im Umland ein solch großes Angebot gibt?

Grosse Das A und O ist das Bekenntnis zum Ensemble-Theater. Man muss versuchen, feste Künstler in ihrer Vielfältigkeit und ihrem Können auf verschiedenste Weise zu präsentieren. Das Publikum muss sich mit ihnen identifizieren, muss sagen können: "Das sind unsere Künstler." Das Motto sollte also lauten: Wir machen alles – und das aus eigener Kraft. Die Künstler müssen zum Stadtleben gehören.

Gab es schon Programmpunkte, bei denen Sie sich hinsichtlich der Publikumsresonanz vollkommen verschätzt haben?

Grosse Nein, bisher noch nicht. Wir sind zurzeit ein wenig irritiert, dass der Carlo in Mönchengladbach nicht so gut funktioniert. In Krefeld war jede Vorstellung ausverkauft.

Was funktioniert denn typischerweise gut in Gladbach, was in Krefeld?

Grosse Da gibt es keine Regel. Das ist ganz unterschiedlich und teilweise sogar irrational.

Sie sind ja selbst Schauspieler. Könnten Sie das Publikum in Gladbach mit verbundenen Augen vom Krefelder Publikum unterscheiden?

Grosse (lacht) Ja, ich denke, das könnte ich sogar relativ genau. Das Publikum in Mönchengladbach ist direkter und unmittelbarer. Die Ausschläge sind sozusagen stärker. In Krefeld hat man das Gefühl, sehr genau beobachtet zu werden. Die Reaktion dort ist nicht so impulsiv.

Was würde eigentlich der Intendant Grosse zum Schauspieler Grosse sagen?

Grosse Ich mache das ja nur am Rande. Ich bin ja eigentlich nicht Schauspieler in unserem Haus. Ich bin's nur dann, wenn wirklich Not am Mann ist. Bei der Fledermaus zum Beispiel müssten wir sonst zusätzlich jemanden holen, der wiederum Geld kosten würde.

Sie haben das Konzept "Theater mit Zukunft" ins Leben gerufen. Glauben Sie, dass sich die Theater in zehn bis 15 Jahren in irgendeiner Weise gewandelt haben?

Grosse Ich finde die Debatten, die wir deutschlandweit über die Rolle und den Wert des Theaters führen, ziemlich ernüchternd und deprimierend. Es wird immer der Eindruck erzeugt, dass die Theater nicht mehr zeitgemäß sind. Jeder, der sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, sieht aber, in welcher Weise sich die Theater und Orchester in den letzten 20 Jahren bereits bewegt haben. Sie sind schon jetzt modern und zeitgemäß.

Sie glauben also an die Zukunft des Theaters?

Grosse Selbstverständlich. Theater ist Bildung. Es gehört zum Leben, es ist Lebensmittel. Gäbe es die Theaterhäuser und ihre vielfältigen Vernetzungen in den Städten nicht, würde sicherlich vieles implodieren.

Das Gespräch führten Ralf Jüngermann, Gabi Peters, Dirk Richerdt und Fabian Eickstädt.

(fae)
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