Ex-Freund von Kate Moss Pete Doherty - seine sieben Krefelder Jahre

Krefeld · Der britische Rockstar Peter "Pete" Doherty lebte von 1989 an in Krefeld an der Gutenbergstraße. Das neue Album seiner Band rühmen Kritiker als bisher bestes. Eine Spurensuche in der Stadt, die Doherty seine "rechnerische Heimat" nennt.

Pete Doherty hat Gold im Mund
9 Bilder

Pete Doherty hat Gold im Mund

9 Bilder
Foto: ddp

Vor wenigen Wochen wurde Pete Doherty, einer der wohl berühmtesten Rockstars unserer Zeit, in einem Interview mit der Zeitschrift "Gala" gefragt, wo denn eigentlich seine Heimat sei. Der Typ hat in London gelebt, auf Zypern, in Paris - er hat weltweit die größten Clubs in den aufregendsten Städten bespielt. Dem Journalisten gab Pete Doherty im Interview allerdings eine überraschende Antwort: "Rein rechnerisch, nach der Zeit, die ich an einem Ort verbracht habe, müsste Krefeld meine Heimat sein." In Krefeld habe er als kleiner Junge gelebt, weil sein Vater als Soldat der britischen Armee dort stationiert war, schilderte Doherty.

Irgendetwas muss den Rockstar an Krefeld faszinieren, diese Stadt, an der man die Vergänglichkeit von Glanz studieren kann. Schon einmal zuvor, im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" 2007, sprach Doherty über seine Krefelder Kindheit. "Ich hab in Deutschland gelebt damals, in Krefeld, an der Gutenbergstraße." Für einige Tage elektrisierte dieses kleine Sätzlein die Boulevard-Blätter - der kaputte Rockstar hat eine deutsche Vergangenheit in einer so unglamourösen Niederrhein-Stadt wie Krefeld.

Es gibt viele Geschichten über den Weltstar Pete Doherty - solche von Drogentrips in London, von einem Diebstahl in Regensburg, die skandalöse Geschichte vom Singen der ersten Strophe des Deutschlandliedes bei einem Konzert in Bayern. Hierzulande weitgehend unbekannt ist aber die andere Geschichte des Pete Doherty; die von seiner Kindheit in Krefeld, vom behüteten Aufwachsen in einer kleinen Großfamilie.

Wenige Spuren

An zwei Stellen wird man fündig, wenn man wissen will, wie Pete Doherty in Krefeld lebte. Der Journalist Alex Hannaford hat das Buch "Last Of The Rock Romantics" geschrieben, eine Biografie über Doherty. Petes eigene Mutter Jackie Doherty wiederum erzählt in "My Prodigal Son" über ihre Erinnerungen als Mutter eines munteren Jungen, der einer der größten Rockstars seiner Zeit wird, mit seinen Bands The Libertines und Babyshambles Weltruhm erlangt, aber die Finger nie von den Drogen lassen kann.

Peter Doherty, geboren am 12. März 1979 in Hexham, Northumberland, ist das Kind des Militär-Offiziers Peter Doherty sr. und von Jacqueline "Jackie" Doherty, Hausfrau und Mutter. Der kleine Pete wird mit seinen zwei Schwestern, der älteren Amy Jo, und der jüngeren Emily, katholisch erzogen. Als Offizier muss Vater Peter oft umziehen. Seine Familie folgt ihm also nach London, Belfast, Liverpool, schließlich 1989 nach Krefeld. Pete Doherty ist zehn Jahre alt, als er nach Krefeld kommt. Viele britische Soldatenfamilien lebten in dieser Zeit in Krefeld. An der Gutenbergstraße bezieht Familie Doherty eine der Offizierswohnungen, die in der Nähe des Kreisverkehrs zur Kempener Allee liegen. Wo genau, das hat Doherty nie gesagt. Auch sein Management hüllt sich trotz Anfrage dazu in Schweigen. Im Krefelder Einwohnermelderegister ist der Name Doherty nicht aufgeschrieben. Von Familie Dohertys Wohnung bis zum Arbeitgeber von Vater Peter, der britischen Armee, sind es nur 1,5 Kilometer, fünf Minuten Radfahren entlang der Kempener Allee. Die Kasernen werden Bradbury Barracks genannt, ab 1936 waren sie für die deutsche Wehrmacht gebaut worden, nach dem Krieg nahmen die Briten sie ein.

Schule in Ratingen, Freizeit in Düsseldorf

Pete Doherty besucht in seiner Krefelder Zeit die "Dalton Middle School" in Ratingen. Seine Lehrerin dort heißt bei den Schülern mit Spitznamen "Dracula-Kragen", wegen des großen gestärkten Kragens, den sie immer trägt. Die mittlerweile geschlossene "Dalton Middle School" war eine spezielle Schule für Kinder von Soldaten der britischen Armee, aber auch amerikanische, japanische und polnische Kinder wurden hier unterrichtet.

Alex Hannaford schreibt im Buch, dass Pete Doherty oft andere Kinder mit in seine Krefelder Heimat brachte; der Mix der Nationalitäten habe ihm einfach gefallen. In dieser Zeit habe er viel Sport getrieben, war im Fußballteam der Schule, trieb Leichtathletik, soll in seiner Freizeit auch gerne nach Düsseldorf gefahren sein. "Die Lehrer liebten ihn", schreibt Hannaford. Auch die Mädchen sollen ihm zugetan gewesen sein, wie sein damaliger Freund Andrew Asplin aus Duisburg berichtet; sein Vater war bei der britischen Armee in Duisburg stationiert. Asplin beschreibt den Pete Doherty aus den Jahren 1990 und 1991 als einen der "akademisch cleversten" Menschen, die er je kannte. "Alles, was er anfasste, wurde zu Gold. Er war ein echter Schlingel, ein liebenswerter Kerl."

Heute hier, morgen dort - die Wohnortwechsel in Europa hinterlassen gleichwohl Spuren. Biograf Hannaford beschreibt, wie Vater Peter Doherty auch während der Krefelder Zeit die Familie immer wieder zeitweise verlassen muss: 1990 fliegt er nach Kuwait, das der irakische Diktator Saddam Hussein besetzen lässt. Wie ängstlich muss sich der kleine Sohn zu Hause in dieser Zeit gefühlt haben?

Fan von Wilde, Orwell und Byron

Wenn Pete Doherty in den Interviews über seine Krefelder Zeit redet, dann klingt das anders als das, was Zeitgenossen über ihn berichteten: Doherty pflegt dann den Mythos eines einsamen Romantikers. Ein begeisterter Leser englischer Klassiker sei er schon in seiner Kindheit gewesen: Oscar Wilde, Graham Greene, George Orwell, aber auch Romantiker wie Wordworth, Lord Byron, Keats. Er beschreibt seine Zeit in Krefeld retrospektiv als einsame Phase: "Das einzige Leben, das ich kannte, war umziehen, die Schule wechseln." Schon da knüpft er offenbar erste Kontakte zu Suchtstoffen: "Woran ich mich am besten erinnern kann, sind die deutschen Zigarettenautomaten. Sonst war es leider keine glückliche Zeit für mich. Ich habe mich oft sehr einsam gefühlt und viel geschrieben, Musik gemacht und gemalt", wird er in der Gala zitiert. Er habe keine andere Wahl gehabt, als in dieser Zeit in sich selbst zu verschwinden, Bücher zu lesen, Fußbälle gegen Wände zu schießen, in seinen Träumen zu leben. 2006 sagt Pete Doherty über seine Krefelder Zeit im Interview mit Neon: "Ich rannte mit Hunden und den anderen Armeekindern herum. Die meiste Zeit waren wir auf der Suche nach irgendwas, das wir zerstören konnten."

Am liebsten erinnert sich Pete Doherty in Interviews an den Sport, den er in Krefeld trieb: "Eigentlich spielten wir die ganze Zeit Fußball. Ich war der einzige Engländer beim VfL Tönisberg."

Heute erinnert sich beim Verein in der Krefelder Nachbarstadt niemand mehr an den Sportskameraden Doherty: "Ich habe davon gehört, bei uns im Verein erzählt man sich davon. Aber es gibt von den jetzt Aktiven niemanden mehr, der sich an Pete Doherty erinnern kann", sagt der VfL-Vorsitzende Ulrich Furth. Mutter Jackie Doherty schreibt in ihrem Buch "My Prodigal Son", dass sie sich an eine Radfahrt über die Felder nach Tönisberg an einem "lovely summer evening" erinnert, an dem sie ihren Sohn vom Training abholen wollte. Pete habe sie aus der Ferne auf dem Rad gesehen und sich zu verstecken versucht. Sie habe ihn gesehen und die gleiche Idee gehabt. Minutenlang harrten beide in ihrem Versteck aus, um zu merken, dass der andere doch nicht kommt. Die Tatsache, dass ihr Sohn Pete in einem deutschen Fußballclub spielte, habe sein Deutsch sehr verbessert, schreibt die Mutter. Es sind solche Geschichten, die einen anderen Blick auf den oft chaotischen Pete Doherty erlauben; sie machen diesen genialen Künstler, der auf seinem neuen Album aufgeräumter und kreativer denn je klingt, sympathischer. Es gibt ihn - den anderen Doherty.

"Mein Club in Deutschland ist Bayer Uerdingen"

Auch Fan des KFC Uerdingen soll Pete Doherty sein - und auch dazu gibt es eine Geschichte. Als der Verein 2008 in eine seiner finanziellen Schieflagen gerät, hofft man auf einen Zuschuss des reichen Rockstars. Der verkündet zwar seine Solidarität mit dem KFC Uerdingen. Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" sagt Doherty 2007 gar: "Einmal Fan, immer Fan. Mein Club in Deutschland ist Bayer Uerdingen. Leider krebsen die jetzt ziemlich weit unten rum." Zu einem späteren Besuch in Uerdingen kommt es nie. So bleibt wohl auch ungeklärt, ob es stimmt, was Journalisten in schöner Regelmäßigkeit aufschreiben, wenn sie über Doherty und Uerdingen berichten - dass nämlich der Skandalrocker einer der Zuschauer beim legendären Uefa-Cup-Spiel von Bayer Uerdingen gegen Dynamo Dresden war, das die Uerdinger mit 7:3 umbogen. Die Biografie spielt Doherty hier einen Streich: Das Spiel fand am 19. März 1986 statt, Familie Doherty kam erst 1989 nach Krefeld.

Mitte der Neunziger geht die Reise von Pete Doherty weiter, die Krefelder Zeit endet - von Deutschland geht es nach Dorset, eine Grafschaft in Südwest-England. Und schnell wird Pete Doherty jene tonnenschwere Last Ruhm aufgebürdet, die ihn heute auf die Titelseiten der Klatschmagazine bringt. Mit 17 gewinnt er einen Poesiewettbewerb des British Council, wird als Kulturbotschafter nach Russland geschickt, bricht sein Studium am Adinah Kroner College der University of London im ersten Jahr ab, arbeitet schließlich in London als Callboy für Senioren und auf dem Bau, bevor er in den späten Neunzigern seine erste Band The Libertines mit Freund Carl Barât gründet. Von da an wird Pete Doherty ein anderer Mensch - ein begnadeter Musiker zwar, der sich jedoch immer wieder in den Drogen verliert. Von nun an liefert er täglich neue traurige Skandalgeschichten: von gescheiteren Ehen, Zerwürfnisse mit Freunden, kriminellen Delikten.

Man will Peter Doherty wünschen, dass er irgendwann von diesem Teufelszeug loskommt, dass sein Leben ruhiger wird, und dass er eines Tages nur noch so tolle Musik macht wie auf seinem jetzt erschienenen Album "Sequel To The Prequel". Die Hoffnung auf einen ruhigen Pete Doherty ist gering. In "Minefield", dem großartigen letzten Lied des Albums, singt Doherty: "When all is still, the thrill is dead."

Wenn alles still steht, gibt es keine Spannung mehr.

(csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort