Korschenbroich Wo das Bier gebraut und die Post verteilt wurde

Korschenbroich · Brauerei, Bankfiliale und Briefübergabestelle: Das Liedberger Landgasthaus wurde bereits vielfältig genutzt.

 Schon 1930 war das Gebäude an der Landstraße 19 bei den Korschenbroichern ein beliebter Ort, um zu verweilen.

Schon 1930 war das Gebäude an der Landstraße 19 bei den Korschenbroichern ein beliebter Ort, um zu verweilen.

Foto: L. Berns

Fotos halten Augenblicke fest, die sonst längst vergessen wären, sie erzählen vom Leben auf dem Lande oder von Begegnungen mit Menschen. So auch das historische Foto aus dem Jahre 1930, das das Liedberger Landgasthaus zeigt, als es noch "Restauration zur Erholung" hieß und von Johann Merten und seiner Frau Gertrud geführt wurde.

Gut gelaunt saßen damals zahlreiche Gäste an den Tischen vor der Gastwirtschaft, während ihre großen, schwarzen Karossen längs der Chaussee zwischen Schelsen und Glehn parkten. Sehen und gesehen werden, das war bei den wohlhabenden Gladbacher Bürger angesagt im Jahre 1930, als sie auf dem Weg nach Düsseldorf oder zurück in der Liedberger "Restauration zur Erholung" einkehrten.

Einen großen Tanzsaal gab es damals in dem Gasthaus, eine Kegelbahn und sogar eine Geschäftsstelle der Genossenschaftsbank Rheydt. Aber das Foto verrät noch mehr über die Vergangenheit: Der Briefkasten an der Eingangstür und der hohe Brauschornstein zeugen davon, dass sich in der dreiflügeligen Hofanlage einst eine Briefübergabestelle befand, und dass dort auch Bier gebraut wurde. 1853 war es die Witwe des Bierbrauers Heribert Schieffer gewesen, die ihre Brauerei vom Liedberger Schloss hin zum Landgasthaus verlagerte, das damals noch "Gasthaus an der Barriere" hieß.

Denn die heutige B 230 war dort durch einen Schlagbaum versperrt. Reisende sowie Händler hatten erst ein Wegegeld an den Pächter der Gaststätte zu entrichten, bevor sie weiterfahren durften. In der Scheune, wo sich heute die Gast- und Veranstaltungsräume befinden, braute die Witwe Schieffer das Bier. Als untergäriges Bier auch im Rheinland immer beliebter wurde, musste sie neue Kühlmöglichkeiten schaffen. Untergärige Hefe kann nämlich nur dann richtig arbeiten, wenn die Temperatur bei vier bis neun Grad Celsius liegt.

Also legte die Witwe Schieffer unter der Scheune tiefe Gewölbekeller aus Sandstein an, um dort im Winter das Eis zu speichern. "Die Keller gibt es heute noch, nur dass wir sie überwiegend als Abstellräume für Tische und Stühle nutzen", erzählt Simone Schmitt, die das Restaurant seit dem Jahr 2001 zusammen mit ihrem Mann, dem Chefkoch Peter Schmitt führt. Und hier schließt sich der Kreis: Simone Schmitt ist die Urenkelin von Gertrud Merten.Das Schicksal hat es so gewollt, dass sich das Landgasthaus stets von der Mutter auf die Tochter vererbte.

"Die Geschicke des Landgasthauses lagen überwiegend in den Händen von Frauen", berichtet die gelernte Hotelfachfrau. Die gastronomische Laufbahn des Familienbetriebs begann, als Gertrud Merten 1898 mit ihrem früh verstorbenen ersten Mann Heinrich Wilms die stillgelegte Brauerei Schieffer erwarb. Mit ihrem zweiten Mann Johann Merten hat sie dann den Grundstein für die heutige Traditionsgaststätte gelegt. 2001 haben die Eltern von Simone Schmitt die Hofanlage denkmalgerecht umgestaltet und erweitert.

(NGZ)
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