Köln Uni-Preis erinnert an die erste Studentin

Köln · Die in Solingen aufgewachsene Jenny Gusyk war die erste Studentin an der Kölner Universität. Die Hochschule zeichnet Ideen und Projekte zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit aus. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Seit dem Jahr 2010 verleiht die Universität zu Köln einen in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerten Preis: den "Jenny Gusyk-Preis". Er soll die Gleichstellung von Frauen und Männern an der Hochschule unterstützen. Ausgezeichnet werden Ideen und Projekte für "Strukturverbesserungen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit an den Fakultäten". Ins Leben gerufen wurde der Preis vor drei Jahren auf Initiative der damaligen Gleichstellungsbeauftragten Heidrun Fußwinkel.

Bislang konkurrierten jeweils zwei Fakultäten um den mit 10.000 Euro dotierten Preis. In diesem Jahr ist er zum ersten Mal für die Verwaltung ausgeschrieben. Noch bis zum 30. Oktober können die Bewerber ihre Anträge an das Büro der Gleichstellungsbeauftragten Annelene Gäckle senden. Die Universitätsleitung entscheidet voraussichtlich im Dezember über die Vergabe.

Mit dem Preis soll auch die Aufmerksamkeit auf die Namensgeberin gelenkt werden. Jenny Gusyk war die erste Studentin an der nach dem Ersten Weltkrieg neu gegründeten Kölner Universität. Sie schrieb sich am 11. April 1919 an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät mit der Matrikelnummer 2 ein. Jenny Guysk wurde am 29. Mai 1897 in Litauen, damals ein Teil von Russland, geboren. Als sie 13 Jahre alt war, verließ ihre Familie die Heimat und wurde in Solingen sesshaft. Der Vater, ein jüdischer Kaufmann, nahm später für sich, seine Frau und die Kinder die türkische Staatsbürgerschaft an.

Viele Jahrzehnte lag das Leben von Jenny Gusyk im Dunkeln. Dem Solinger Journalisten Wilhelm Rosenbaum ist es zu verdanken, dass diese Lücke geschlossen wurde. Sein Buch "Jenny Gusyk - Jüdin, Türkin, Solingerin" ist 2003 erschienen. Es ist ebenso ein Teil der Solinger Historie wie der Kölner Frauen- und Universitätsgeschichte. Jenny Gusyk war nicht nur die erste Frau, die an der neuen Hochschule ihr Studium aufnahm, sie war auch die erste Ausländerin. Dies muss im Jahr 1919 noch recht exotisch gewesen sein. Unter den 1299 Eingeschriebenen in Köln waren lediglich 194 Frauen. Dass dies keineswegs mit der Idee einer Gleichstellung einher ging, zeigt eine Randerscheinung auf die Wilhelm Rosenbaum in seinem Buch hinweist. Studieren durften die Studentinnen, aber nicht die erste Kölner Mensa betreten. Sie wurde im Winter 1919 von Franziskanerschwestern auf dem Fabrikgelände des Schokoladenunternehmens Stollwerck in der Annostraße in der Südstadt eröffnet.

Die Mensa lag damit in unmittelbarer Nähe zum Universitätsgebäude, das seinerzeit in der Claudiusstraße am Römerpark lag. Heute beherbergt die "Alte Universität" Teile der Fachhochschule Köln. 16 Jahre lang soll Klosterschwester Ignatia verhindert haben, dass die Damen in den Genuss des verbilligten Studentenessens kamen. Jenny Gusyk erlebte die Mensa-Öffnung für Frauen nicht mehr. Sie schloss ihr Studium nach sieben Semestern mit der kaufmännischen Diplomprüfung mit Auszeichnung ab. Sie zog nach Berlin und heiratete den Journalisten Karl Stucke. Er starb als politischer Häftling 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Auch seine Ehefrau überlebte die Diktatur der Nationalsozialisten vermutlich nicht. Jenny Stucke wurde am 3. Juni 1943 von der Gestapo verhaftet. Nach den Recherchen von Wilhelm Rosenbaum wurde sie später ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht. Dort verliert sich ihre Spur. Ihr Sohn Thomas und ihre Schwester Rebekka, die nach Amerika emigrierten, haben nie wieder etwas von Jenny Gusyk gehört.

(RP)
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