Kleve Heiligenbildchen als Belohnung

Kleve · 1946 wurde Lucia Marzian in der Volksschule in Mehr eingeschult. An die Zeit, die sie dort verbrachte, erinnert sie sich gerne zurück. Ausflüge und Eigenarten der Lehrer sind ihr besonders in Erinnerung geblieben.

 Lucia Marzian zeigt ein Poesiealbum mit einer Widmung ihres Lehrers Alfons Pruys aus 1953.

Lucia Marzian zeigt ein Poesiealbum mit einer Widmung ihres Lehrers Alfons Pruys aus 1953.

Foto: Gottfried Evers

Eine wunderschöne Erinnerung an ihre Schulzeit hat Lucia Marzian aus Mehr aufbewahrt. Ihr Lehrer, Alfons Pruys, schrieb in ihr Poesiealbum: "Der Raum, wo Du gewachsen bist, den halte hoch und wert. Dein Glück und Dein Gedeihen ist nur an der Heimat Herd." Die heute 72-Jährige kann sich noch sehr gut an ihren ersten Schultag 1946 erinnern. Ihre Schultasche war kunstvoll aus einer beigefarbenen Decke auf der Nähmaschine genäht. Sie war mit Blümchen bestickt, und ihr Name stand darauf.

 Katholische Volksschule Mehr 1949: Lucia Marzian steht in der hinteren Reihe als Fünfte von links. RP-Repro: G. Evers

Katholische Volksschule Mehr 1949: Lucia Marzian steht in der hinteren Reihe als Fünfte von links. RP-Repro: G. Evers

Foto: Evers, Gottfried

Ihre Lehrerin, Johanna Völlings, brachte den Erstklässlern mit einem Besen und mit einem Wecker das ABC bei. Nie vergisst Lucia Marzian, dass sie mit klopfendem Herzen dem Schulrat eine Geschichte aus dem Lesebuch vortragen musste, da sie schon früh lesen konnte. Streng war der Religionsunterricht bei Pastor Hüttemann. "Wenn einer beim Schwätzen erwischt wurde, zog er dem Übeltäter die Ohren lang", erinnert sich Marzian. Bei Fräulein Völlings gab es Fleißkärtchen, und wenn man zehn zusammen hatte, gab es ein Heiligenbildchen.

Die Lehrerin war bei Papst Pius XII. in Rom gewesen und zeigte den Kindern den schwarzen Schleier, den sie bei der Papstaudienz trug. Sie brachte jedem Schüler ein gesegnetes Medaillon mit. Vor den großen Ferien gab es eine Wanderung über die Landscheide, wo ein Storch sein Nest gebaut hatte. Die Kinder konnten ihren Durst aus einem Eimer mit Wasser löschen. Ein weiterer Ausflug führte zur Schule nach Düffelward. Die Schüler sammelten in den Ferien Kräuter, die getrocknet mit zur Schule gebracht wurden.

Lucia hatte drei Pfund Kamillenblüten zusammen und bekam "für fleißiges Sammeln" ein Buchgeschenk. Fräulein Völlings bekam oft Besuch von ihrer Schwester mit zwei Söhnen. Mit dem Kleinsten ging die Schülerin aus Mehr gerne mit dem Kinderwagen spazieren. Als die Lehrerin feststellte, dass viele Kinder Läuse hatten, bestellte die Mutter kurzerhand den Dorffriseur, der die langen Zöpfe von Lucia abschnitt, sehr zum späteren Unwillen der Lehrerin. Der zwei Jahre jüngeren Schwester hatte die Mutter im Winter eine lange Hose zur Schule angezogen, aber das ziemte sich damals für Mädchen nicht, die Lehrerin schickte sie wieder nach Hause.

Im Herbst fürchteten sich die Kinder auf dem Schulweg vor dem "Wassermann", wenn das Wasser der Rhönn fast auf dem Tutweg stand, und im Sommer war es beim Kornblumenpflücken die "Roggenmuhme". Als die Mädchen ihre Puppen mit zur Schule bringen durften, war Lucia traurig, denn ihrer Babypuppe wurden von der Lehrerin keine Fragen gestellt. Es gibt Schulerinnerungen, so die Spiele mit selbst gemachten Knickern in den Pausen oder die Handarbeitsstunde, bei der sich eine Mitschülerin ins Bein stach.

(RP/rl)
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