Kevelaer Ein Leben auf See – doch die Heimat bleibt Wetten

Kevelaer · Jeden Tag läuft Günther Stenmanns vom Seniorenheim zu seinem Haus und hisst die Flaggen. Der Wettener war viele Jahre bei der Schifffahrt. Mit 80 Jahren machte er erstmals eine Weltumrundung.

 Günther Stenmanns hisst jeden Tag die Flaggen vor seinem Haus in Wetten. Dafür kommt er vom Seniorenheim herübergelaufen.

Günther Stenmanns hisst jeden Tag die Flaggen vor seinem Haus in Wetten. Dafür kommt er vom Seniorenheim herübergelaufen.

Foto: Jürgen Venn

Pünktlich um 7 Uhr geht es für Günther Stenmanns los. Der rüstige 87-Jährige macht sich auf den Weg vom Seniorenheim St. Josef zu seinem Haus in Wetten, das er liebevoll "Schwarzwaldhaus" nennt. Dort wird früh am Morgen die Flagge gehisst, an einem echten Schiffsmast versteht sich, denn Wasser und der Wettener gehören einfach zusammen.

Bereits früh entschloss sich der heute 87-Jährige zu einer Ausbildung auf dem Wasser. "Gelernt habe ich auf einem Frachter. Aber als ich die weißen Schiffe mit Musik und den schönen Menschen darauf sah, wollte ich damit fahren", erinnert er sich. Er zeigt ein Foto von der "Europa", einem Kabinenschiff, das die Strecke Rotterdam-Basel und Basel-Rotterdam fuhr. "Da war ich Steuermann. Das war mein Beruf." Vorher war die Ausbildung. Zunächst als Schiffsjunge auf Frachtschiffen, dann bei der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrtsgesellschaft als Matrose.

Seinen Bootsmannbrief vom 3. August 1943 hat er auch noch, der ihn als Binnenschiffer ausweist. Dann kam der Krieg. Als 17-Jähriger ging es für ihn zur Marine. Diesmal unter Wasser, ins U-Boot.

Nach der Kriegsgefangenschaft ging es wieder aufs Wasser. Auf Raddampfern, die mit Kohle befeuert wurden, erinnert sich der 87-Jährige. 1947 war er auf dem Hotelschiff "Bismarck".

Später war er Steuermann auf der "Europa". Immer flussauf- und -abwärts. "Mit diesem Kabinenschiff ging es vier Tage runter und fünf Tage rauf, gegen die Strömung", sagt er über das Pendeln zwischen Rotterdam und Basel.

Das Meer befuhr er aber erst wieder nach seinem Arbeitsleben. Dann aber nicht am Steuerrad, sondern als Passagier. Seine erste Weltumrundung machte er mit 80 Jahren, die zweite mit 85 Jahren. Gefahren ist er natürlich mit dem Schiff. "Mit der Astor", konkretisiert er das. "Da kommen die Prominenten mit dem Flugzeug und fahren dann ein, zwei Etappen mit." Einen Prominentenstatus ergatterte der Wettener auch. "Das hatten die noch nie erlebt, einen Gast in Kapitänsuniform", sagt er und lächelt schelmisch. Denn er lebt das Seemann-Sein. "Das Wichtigste ist die Mütze", sagt er bestimmt und erklärt seine ganz eigene Technik, damit die Mütze nicht vom Wind über die Reling gefegt wird.

Dann schwärmt er vom Broadway. "Ich war schon drei Mal in New York. Nicht, wie es im Radio heißt, noch niemals", zitiert er den Udo-Jürgens-Klassiker. "Wenn ich jünger wäre, sagen wir mal 60 Jahre, würde ich auf Bora Bora bleiben", nennt Stenmanns einen Wunsch.

Und dann erzählt er von Wetten, wo er 1953 sein Haus gebaut hat, in dem er zuletzt mit seinem Hund Charly wohnte. Er erzählt von der Kneipe neben der Bäckerei, wo man sich nach dem Gottesdienst trifft. "Ich find' das so schön", sagt der 87-Jährige, und seine Augen leuchten. Wetten, das ist seine Heimat, trotz aller Weltumrundungen. "Winnekendonk wäre schon fremd für mich", sagt der Seemann. Dann nimmt er seine Kapitänsmütze und geht. Es ist Zeit, die Fahne vor seinem Haus zu hissen.

(bimo)
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