Übergriffe auf Feuerwehrleute Stellvertretender Feuerwehr-Chef warnt: "Nicht mit Pfefferspray aufrüsten"

Ratingen · Thomas Tremmel, der stellvertretende Leiter der Ratinger Feuerwehr, äußert sich zu Übergriffen auf Einsatzkräfte. Er setzt auf deeskalierende Maßnahmen. Helfer werden entsprechend geschult. Statistiken zu besonderen Fällen gibt es noch nicht.

 Thomas Tremmel: "Einsatzkräfte müssen durch Schulungen darauf vorbereitet werden, wie sie gefährliche Situationen deeskalieren können."

Thomas Tremmel: "Einsatzkräfte müssen durch Schulungen darauf vorbereitet werden, wie sie gefährliche Situationen deeskalieren können."

Foto: Achim Blazy

Überall liest und hört man von Übergriffen auf Rettungspersonal. Wie ist die Situation in Ratingen?

Thomas Tremmel Das gibt es immer mal wieder, auch bei uns hier. Einige Fälle sind bekannt, in denen es zu Übergriffen kam. Erfreulicherweise sind die Medien bei dem Thema extrem sensibel, so dass solche Vorkommnisse direkt im Fokus der Öffentlichkeit stehen und so klar gemacht wird, dass hier eine Grenze überschritten wird.

In was für Situationen passiert das?

Tremmel Das ist völlig unterschiedlich, auch wenn aufgrund der hohen Einsatzzahlen die meisten Vorfälle im Rettungsdienst passieren. In der Regel sind Alkohol oder Drogen ein Auslöser für solche Situationen. Wir in Ratingen hatten zum Beispiel kürzlich einen Einsatz mit einer hilflosen Person in einem Bus. Während des Einsatzes ist die alkoholisierte Person aufgewacht, aggressiv geworden und hat den Kollegen vom Rettungsdienst geschlagen. Dieser wurde dabei leicht verletzt.

Sie selbst hatten vor einigen Wochen auch ein Erlebnis dieser Art.

Tremmel Ja, es war bei dem Wohnungsbrand an der Heinrich-Hertz-Straße. Ich war als Einsatzführungsdienst B zuerst dort und traf vor dem Gebäude auf zwei junge Männer. Der erste Satz, den ich zu hören bekam, war in etwa "Da sind noch Kinder drin, Du Arschloch, hol' die da raus".

Was ja nicht stimmte...?

Tremmel Das hat sich erst später herausgestellt, als ich zum Glück kurz nach diesem Kontakt die Wohnungsmieterin vor der Tür befragen konnte. Währenddessen sind die Männer an den Angriffstrupp herangetreten, haben die Kollegen auch beschimpft und versucht, diese an der Kleidung in den Treppenraum zu ziehen. Dann kam aber die Polizei und hat eingegriffen. Da hat die Stadt im Nachhinein auch Strafantrag gestellt.

Wie kann man die Einsatzkräfte auf so etwas vorbereiten?

Tremmel im Rahmen der Fortbildungen im Rettungsdienst haben wir Schulungen in Deeskalation und Selbstverteidigung durchgeführt. Wir versuchen, die Kollegen auch immer dahingehend zu sensibilisieren, Abstand zu Personen zu halten. Das ist aber natürlich gerade im Rettungsdienst in der Regel nur schwer einzuhalten.

Sind solche Vorfälle mehr geworden?

Tremmel Das kann man so nicht sagen. Ich denke, das hat vor allem damit zu tun, dass die Medien dieses Thema sehr sensibel aufnehmen und wir daher das Gefühl haben, dass dieses Phänomen gehäuft auftritt. Bisher gibt es darüber aber noch keine kommunal übergreifenden Statistiken, die das bestätigen würden.

Wie stehen Sie zur Aufrüstung des Rettungsdienstpersonals mit Schutzwesten oder Selbstverteidigungsmitteln wie Pfefferspray?

Tremmel Dem stehe ich negativ gegenüber. Wir kommen zu den Menschen, um ihnen zu helfen. Wenn wir da total aufgerüstet erscheinen würden, wäre das unpassend. Klar, solche Vorfälle gibt es, aber das darf nicht dazu führen, dass wir uns grundsätzlich als gefährdet ansehen. Wenn wir uns so ausrüsten, lösen wir nicht das Problem an sich. Und das ist ja das Entscheidende. Rüsten wir die Leute dafür aus, kapitulieren wir ja nur vor dem Problem und bereiten unsere Leute darauf nicht vor.

Wie kann man das tun?

Tremmel Die Einsatzkräfte müssen durch Schulungen darauf vorbereitet werden, wie sie solche potenziell gefährlichen Situationen deeskalieren können. Das betrifft sowohl die Kräfte der Berufsfeuerwehr als auch unsere ehrenamtlichen Feuerwehrleute. Ergänzend ist zu prüfen, ob Einsatzkräften eine Möglichkeit gegeben wird, barrierefrei und unbemerkt ergänzende Unterstützung anzufordern. Ein wichtiger Teil ist außerdem die Arbeit der Medien, die durch ihre Berichterstattung klipp und klar signalisieren, dass eine Grenze überschritten wird, wenn Rettungskräfte attackiert werden. Und zu guter Letzt müssen wir als Dienstherr konsequent Strafanzeige stellen, um diese Grenzen klar zu machen.

Auf eine Situation wie Ihre kann man sich aber doch nicht vorbereiten?

Tremmel Nein, mit so etwas rechnet man nicht. Aber da hilft es, Grundlagen der Deeskalation zu kennen und solche Personen einfach mal stehen zu lassen. Im Allgemeinen ist meine Situation aber eher die Ausnahme, die Gefahr liegt eher bei Rettungsdiensteinsätzen, weil man dort viel mehr in den persönlichen Schutzbereich des Betroffenen eindringt, als es bei einem Feuerwehreinsatz die Regel ist.

WOLFGANG SCHNEIDER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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