Duisburg UDE-Report: Tarifparteien brauchen Macht

Duisburg · Die Fachleute der Universität Duisburg-Essen (UDE) haben sich mit dem Thema Lohnungleichheit in Deutschland befasst und einen Report vorgelegt. Darin kommen sie zu dem Ergebnis, dass immer mehr Beschäftigte in prekären Jobs für wenig Geld arbeiten, während insbesondere bei Top-Managern das Einkommen enorm wächst.

Die Höhe der Löhne wird in Deutschland zwischen den Tarifparteien - Arbeitgebervereinigungen und Gewerkschaften - ausgehandelt. Die haben in den letzten Jahren aber erheblich an Organisationsmacht und Handlungsfähigkeit eingebüßt, so die UDE. Fragmentierung und Erosion des Tarifsystems beeinträchtigten zunehmend die Lohnfindung.

"Die Flächentarifverträge gelten inzwischen nur noch für die Hälfte der Beschäftigten, die Bindung nimmt stetig ab", so Prof. Dr. Thomas Haipeter. Zonen mit Niedriglöhnen ohne Tarifverträge breiteten sich aus. Die "informelle" Lohnabstimmung zwischen den organisationsstarken Industriebranchen und den schwächer aufgestellten Dienstleistungsbranchen entkoppele sich zunehmend. Und schließlich würden auch die Tarifverträge selber poröser: Sonderregelungen erlaubten es, von den Vereinbarungen abzuweichen, ganze Tätigkeitsbereiche würden ausgelagert und damit dem eigentlich geltenden Tarifvertrag entzogen.

Die Branchen entwickeln sich nach der Untersuchung der UDE unterschiedlich, obwohl einige Probleme ähnlich liegen: Insbesondere einfache und standardisierte Tätigkeiten werden ausgelagert - in der Industrie in Form von Leiharbeit oder Werkverträgen, in den Bankfabriken bei den Back-Office-Tätigkeiten oder im Einzelhandel bei der Warenverräumung und an der Kasse, so der Report. Die Strategien der Arbeitgeberverbände, Mitgliedsunternehmen auch ohne Tarifbindung aufzunehmen, hätten zwar ihre Organisationsfähigkeit gestärkt, aber die Tarifdeckung damit weiter geschwächt. Während in der Metallindustrie eine neue Entgeltstruktur vereinbart worden sei, blockierten sich die schwächeren Verbände in den Dienstleistungssektoren des Bankgewerbes und vor allem des Einzelhandels gegenseitig.

Der Staat hat zwar mit dem gesetzlichen Mindestlohn eine Grenze nach unten gezogen, für eine umfassende Koordinierung der Löhne kann er aber nicht sorgen, so die UDE-Wissenschaftler. Dies bleibe Aufgabe der Tarifvertragsparteien - sie müssten sich entsprechende Organisationsmacht und Handlungsfähigkeit über möglichst viele Mitglieder verschaffen. Haipeter: "Hoffnung immerhin machen das Lohnwachstum nach der Finanzmarktkrise und die teilweise erfolgreichen Lohnkampagnen der Gewerkschaften. Das zeigt, dass sich auch die alten Tarifvertragsparteien erneuern können."

Weitere Informationen: "http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/2017/report2017-01.php", Prof. Dr. Thomas Haipeter, thomas.haipeter@uni-due.de.

(RP)
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