Langzeituntersuchung zu Jugendkriminalität in Duisburg Studie: Die meisten Jugendlichen begehen mal eine Straftat

Duisburg/Düsseldorf · Welche Rolle spielt Gewalt in den Medien bei der Jugendkriminalität oder auch ein Migrationshintergrund? Fragen wie diesen sind Wissenschaftler der Universitäten Münster und Bielefeld nachgegangen. Zwölf Jahre lang haben sie "kriminelle Karrieren" von Jugendlichen erforscht – und zwar in Duisburg. Die Ergebnisse, so die Forscher, widerlegten gängige Vorurteile.

Welche Rolle spielt Gewalt in den Medien bei der Jugendkriminalität oder auch ein Migrationshintergrund? Fragen wie diesen sind Wissenschaftler der Universitäten Münster und Bielefeld nachgegangen. Zwölf Jahre lang haben sie "kriminelle Karrieren" von Jugendlichen erforscht — und zwar in Duisburg. Die Ergebnisse, so die Forscher, widerlegten gängige Vorurteile.

Es war im Jahr 2002, als das Projekt der Universitäten unter Leitung des Kriminologen Professor Klaus Boers (Münster) und dem Soziologen Jost Reinecke (Bielefeld) startete. Damals befragten die an der Studie beteiligten 13-jährige Siebtklässler. Die Klassenbefragung wurde dann jedes Jahr wiederholt. Auch nach dem Verlassen der Schule blieben die Wissenschaftler dran. Die ehemaligen Schüler wurden per Post befragt, nach dem 20. Lebensjahr allerdings nur noch alle zwei Jahre.

Befragt wurden mehr als 3000 Schüler aus Duisburg. Nach Angaben der Forscher handelt es sich um die erste Langzeitstudie, die sich mit Jugendkriminalität beschäftigt. Die Ergebnisse wurden am heutigen Donnerstag in Düsseldorf vorgestellt. Das wichtigste Ergebnis: "Die für Jugendliche typische, gelegentliche Delinquenz regelt sich weitgehend von selbst", wie Klaus Boers sagt. Erfreulich sei, dass auch Intensivtäter, wenn auch später, den Weg in die Normalität fänden.

Sechs bis acht Prozent gehören zu Intensivtätern

Nach der Studie begehen viele Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr mindestens einmal eine in aller Regel leichte oder mittelschwere Straftat. Dazu gehört etwa Ladendiebstahl. Bei den Jungen seien dies 84 Prozent, bei den Mädchen 69 Prozent. "Bei den meisten erledigen sich solche Episoden noch im Jugendalter ohne Eingriff von Polizei und Justiz", teilten die Universitäten mit.

Demnach steigen solche Episoden zwar schnell zum Ende des Kindesalters an, doch ab dem 15. und 16. Lebensjahr gehen sie wieder weitgehend zurück. Als Grund dafür nennen die Wissenschaftler eine "erfolgreiche Vermittlung von Werten und Normen durch Familie und Schule". Dieser Prozess werde im Jugendstrafrecht durch weitverbreitete Verfahrenseinstellungen unterstützt, sind sich die Forscher sicher.

Allerdings gibt es auch die Intensivtäter. Sie machten zwar nur sechs bis acht Prozent der Befragten in ihrer Altersgruppe aus, doch sie begingen die Hälfte aller Straftaten und mehr als drei Viertel der Gewaltdelikte. Nach Angaben der Wissenschaftler widerlegt die Langzeitstudie, dass diese Jugendlichen Intensivtäter blieben. Demnach gehe die Zahl der Delikte mit den Jahren deutlich zurück — wenn auch zum Teil erst am Ende des Jugendalters. Wichtig dafür seien ein erfolgreicher Übergang ins Arbeitsleben und stabile soziale Bindungen.

Studie: Strafen schrecken nicht ab

Auch den Jugendlichen aus Migrantenfamilien widmete sich die Studie. Sie seien in Duisburg nicht häufiger an Gewalttaten beteiligt als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Präventiv wirkten hier etwa stabile familiäre und nachbarschaftliche Bindungen. Zudem gehe die Orientierung an traditionellen und religiösen Werten mit weniger Alkoholkonsum und "einem gemäßigterem Freizeitverhalten" einher. Wie in vielen anderen Studien sagen aber auch die Wissenschaftler aus Münster und Bielefeld, dass ein wesentlicher Schlüssel dafür, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht straffällig werden, eine stärkere Bildungsbeteiligung ist.

Laut der Langzeitstudie erhöht zudem der Konsum von Gewaltfilmen die Neigung, selbst Gewalttaten zu verüben. Wenn Jugendliche solche Filme schauten, dann könnte das die Befürwortung von Gewalt stärken, und je stärker sie befürwortet wird, umso häufiger komme es zu Gewalttaten.

Im Übrigen heißt es in der Untersuchung, dass Strafen nicht abschrecken. Vielmehr könnten Haftstrafen den Kontakt zu gewaltbereiten Gruppen fördern und soziale Bindungen schwächen. Daher wird empfohlen, "strafrechtliche Eingriffe auf das Notwendige zu beschränken".

Auch wenn die Studie ausschließlich in Duisburg durchgeführt wurde, sind sich die Wissenschaftler sicher, dass sich viele Ergebnisse auch auf andere deutsche Großstädte übertragen ließen.

(das)
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