Gesund und vital in Duisburg Sich wieder wie ein Mensch fühlen

Duisburg · Bevor Dr. Katja Pivit ihre chirurgische Arbeit an zuvor meist fettleibigen Patienten beginnen kann, müssen diese häufig erst einmal einen nervenden Kampf mit ihrer Krankenkasse überstehen.

 Dr. Katja Pivit versorgt bei der Nachuntersuchung die Narben am Oberarm von Sonja Bauer von Roit.

Dr. Katja Pivit versorgt bei der Nachuntersuchung die Narben am Oberarm von Sonja Bauer von Roit.

Foto: a. probst

Bei Plastischer Chirurgie denken die meisten gleich an die Schönen und Reichen dieser Welt, die sich das Gesicht liften, am Bauch das Fett absaugen und die Brust vergrößern lassen. Sicherlich, all das macht Dr. Katja Pivit, Leitende Ärztin der Abteilung Plastische Chirurgie am Klinikum Duisburg auch, aber bei weitem nicht ausschließlich. Sie behandelt vor allem die Menschen, die nach starker Gewichtsreduzierung durch Fettschürzen und viel überflüssiger, hängender Hautlappen stark beeinträchtigt sind — nicht nur körperlich, sondern auch psychisch.

 Vor- und Nachuntersuchungen sind bei der Plastischen Chirurgie von großer Bedeutung.

Vor- und Nachuntersuchungen sind bei der Plastischen Chirurgie von großer Bedeutung.

Foto: andreas probst

Sonja Bauer von Roit ist eine von den rund 70 adipösen Patienten, die Katja Pivit in enger Zusammenarbeit mit der Allgemeinen Chirurgie des Klinikums Duisburg im Jahr operiert. Sonja Bauer von Roit geht offen mit ihrer einstigen Fettleibigkeit um. "Nach einem Adipositas-Eingriff habe ich mich mehr als halbiert", sagt die Reisedisponentin. Während ihrer dicken Zeit hatte sie sich komplett zurückgezogen, wollte sich draußen kaum noch zeigen. Doch auch nach dem Gewichtsverlust fühlte sie sich nicht wohl. Die überflüssige Haut schlabberte am Körper, vor allem am Bauch.

Sonja Bauer von Roit musste für die Magenverkleinerung hart um die Übernahme der OP-Kosten durch die Krankenkasse kämpfen. Bevor eine OP überhaupt in Betracht gezogen wird, müssen die Patienten eine Drei-Säulen-Therapie durchlaufen, die aus Ernährungsberatung, Bewegung und Verhaltenstherapie besteht. Sechs bis neun Monate dauert das Ganze, dann wird der Patient noch einmal gründlich durchgecheckt. "Bei vielen lehnt die Krankenkasse die Operation ab", sagt Sonja Bauer von Roit, die eine Selbsthilfegruppe der Operierten leitet. Notfalls müssen die Patienten vor Gericht ziehen und gewinnen dort meist. Doch damit ist der Kampf mit den Kassen meist noch nicht beendet. Wer dann nämlich seine überschüssigen Hauptlappen loswerden will, bekommt erneut Probleme. "Oft hilft dann nur noch ein Wechsel der Krankenkasse", sagt Sonja Bauer von Roit.

Dr. Katja Pivit weiß um die Auseinandersetzungen ihrer Patienten mit den Kassen, denn sie arbeitet eng mit den Selbsthilfegruppen zusammen, hält dort auch Vorträge. "Weltweit wird Adipositas als Krankheit anerkannt, nur in Deutschland nicht", sagt sie. Dabei sei die Fettleibigkeit, die bei einem Bodymaßindex von 30 beginnt, längst eine Gesellschaftskrankeit, die mit dem wachsenden Wohlstand gekommen sei. Und vor allem bei den Kindern sei die Zahl steigend.

Katja Pivit weiß aber auch, dass nach dem Abnehmen für die einst stark übergewichtigen Patienten der Leidensdruck noch lange nicht vorbei ist. Denn nach einer Magenverkleinerung, mit der ein sehr schneller Gewichtsverlust einher geht, bildet sich die Haut in der Regel nicht zurück. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern kann auch große funktionelle und pflegerische Probleme mit sich bringen. Die Krankenkassen dagegen sähen das oft anders. "Die schlagen dann eine Psychotherapie vor", sagt Sonja Bauer von Roit. Mit dem Ziel, den Körper so zu akzeptieren, wie er ist.

Sonja Bauer von Roit jedoch hat die Operation bewilligt bekommen. Inzwischen hat Katja Pivit ihre Bauchdecke gestrafft, die Brust wieder in Form gebracht und auch Beine und Oberarme operiert. "Dafür sind mehrere Operationen notwendig", sagt die Ärztin. Schließlich haben die Patienten anschließend große Wundflächen, die der Körper erst einmal verkraften muss. Deshalb liegen zwischen den einzelnen OPs auch mindestens drei bis sechs Monate. Drei bis fünf Tage bleiben die Patienten danach jeweils im Krankenhaus.

Sonja Bauer von Roit war jetzt noch einmal zur Nachkontrolle bei Katja Pivit. An den Oberarmen zeugen nur noch zwei Narben von der jüngsten OP. "Ich fühle mich wieder wie ein Mensch", sagt sie. Statt sich wie zu ihrer dicksten Zeit zu Hause zu verkriechen, setzt sie sich jetzt öffentlich für ihre Leidensgenossen ein und steht zu ihrem Körper.

(RP)
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