Interview mit Duisburgs OB Adolf Sauerland "Mit so viel Hass habe ich nicht gerechnet"

Interview mit Duisburgs OB Adolf Sauerland · Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland räumt falsche Zahlen und Fehler in der Kommunikation nach der Katastrophe ein. Persönliche Konsequenzen will er nach Abschluss der Untersuchungen ziehen. Er glaubt nicht, dass die tödlichen Fehler im Rathaus gemacht wurden, und hält einen Untersuchungsausschuss im Landtag für möglich.

Adolf Sauerland: Schwere Zeiten für Duisburgs OB
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Drei Wochen nach der Loveparade Katastrophe in Duisburg, bei der 21 Besucher ums Leben kamen, gab Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland nach längerer Zeit unserer Redaktion ein ausführliches Interview.

Können Sie Ihr Rathaus wieder durch den Haupteingang betreten oder wie geschehen nur durch einen Hintereingang?

Sauerland Ja natürlich, warum auch nicht. Ich bin nur so lange durch den Hintereingang ins Haus gekommen, wie Scharen von Medienvertretern versuchten, mich ungefragt vor ihre Kameras und Mikrofone zu holen. Wer normal seiner Arbeit nachgeht, der ist auf eine solche Katastrophe nicht vorbereitet. Und ich wünsche wirklich allen, dass sie so etwas nie im Leben mitmachen müssen. Man steht plötzlich vor einem Berg, über den kein Weg führt, erst recht kein goldener Weg.

War es richtig, nicht an der Trauerfeier teilzunehmen?

Sauerland Es ist egal, was man in so einer Situation tut oder auch unterlässt. Es gibt immer eine Seite, von der man angegriffen wird. Dass ich der Trauerfeier ferngeblieben bin, ist ein Beispiel dafür. Ich bin davon überzeugt gewesen, mich richtig entschieden zu haben, weil meine Anwesenheit für die Angehörigen der Opfer eine zusätzliche Belastung gewesen wäre und für öffentliche Unruhe gesorgt hätte. Dass mir später vorgehalten wurde, ich hätte mich feige verstecken wollen, das habe ich nicht nachvollziehen können und das hat mich getroffen.

Mussten Sie damit nicht rechnen?

Sauerland Ich habe nicht damit gerechnet, dass mir so viel Hass und Wut entgegenschlagen, wie es bei einer Demonstration vor dem Rathaus wenige Tage nach dem Unglück der Fall war. Dass dort ein Galgen aufgebaut wurde, an dem mein Foto hing, das hat mich erschüttert. Ich war bislang davon ausgegangen, dass wir das Mittelalter lange hinter uns haben.

Wie begegnen Ihnen Ihre Mitarbeiter, die zum Beispiel über ihre Gewerkschaft Verdi deutlich gemacht haben, dass sie sich von Ihnen in Misskredit gebracht fühlen, und die Ihren Rücktritt forderten?

Sauerland Es mag sein, dass Teile der Belegschaft auf mich schlecht zu sprechen waren oder vielleicht auch noch immer sind. Aber wir alle standen tagelang unter dem Eindruck eines furchtbaren Unglücks. Ich habe in dieser Zeit nicht immer so reagiert, wie es vielleicht rein rational angebracht gewesen wäre.

Zum Beispiel?

Sauerland Ich habe am Tag nach der Katastrophe bei einer Pressekonferenz am Sonntagmorgen nicht so professionell auftreten können, wie es vielleicht der eine oder andere Mitarbeiter erwartet hätte. Ich hatte zudem zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht die Informationen, die mir später vorlagen. Es tut mir unendlich leid, wenn ich da Dinge gesagt habe, die sich im Nachhinein als falsch herausgestellt haben. Ich habe allerdings auch den Eindruck, dass wir alle in der Stadtverwaltung zu einer sachorientierten Arbeit zurückgefunden haben, auch wenn wir nach wie vor sehr traurig darüber sind, was hier passiert ist.

Gehen Mitarbeiter also doch auf Distanz zu Ihnen?

Sauerland Dass sich die Mitarbeiter von mir abwenden, das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Im Gegenteil: Ich bekomme von der Belegschaft viel Rückhalt zu spüren. Sie macht mir Mut und unterstützt mich dabei sehr, zur Aufklärung der Hintergründe beizutragen. Kritiker in unseren Reihen hat es immer gegeben, und das wird sich auch nie ändern. Und bevor Sie danach fragen: Nach Abschluss der Untersuchungen werde ich Konsequenzen ziehen. Welche das dann sein werde, das mache ich von dem Ergebnis der Ermittlungen abhängig.

Sie haben dennoch eine Anwaltskanzlei eingeschaltet. Mit welchem Auftrag? Und warum wurde Ihnen ein Medienberater an die Seite gestellt?

Sauerland Wir wollten so schnell wie möglich unsere geleistete Arbeit extern überprüfen und bewerten lassen, unter anderem für die Sitzung des Innenausschusses. Denn es ist ja kein Argument, dass wir überzeugt sind, alles korrekt gemacht zu haben. Andere müssen es auch sein. Ich rechne damit, dass Anfang kommenden Monats der Abschlussbericht vorliegt. Wir haben der Kanzlei 35 Aktenordner überlassen. Sie arbeitet derzeit ein dickes Auftragspaket ab. Zu ihrem Team gehört auch der Medienberater, der dabei hilft, die Inhalte öffentlich dazustellen.

Er ist also nicht beauftragt worden, um für die Stadt Duisburg oder Sie ein positives Image zu entwickeln?

Sauerland Nein. Sicherlich werden wir, die Stadt Duisburg und ich persönlich, noch sehr, sehr lange mit diesem Unglück in Verbindung gebracht. Aber Duisburg hat in den vergangenen Jahren viele positive Schlagzeilen gemacht. Die Stadt hat sich zu ihrem Vorteil entwickelt und muss auf diesem Weg weitergehen. Ich habe vor wenigen Tagen mit einem Investor verhandelt, der natürlich über die Katastrophe informiert war. Er wird trotzdem kommen. Bei wirtschaftlichen Entscheidungen spielen Faktoren wie Ansiedlungsfläche, Anbindung und Arbeitskräfte eine wesentlichere Rolle, als dass auf uns ein dunkler Schatten gefallen ist.

Es wird behauptet, Sie hätten bei der Angabe der erwarteten Besucherzahlen bei der Loveparade gelogen.

Sauerland Unsere Aufgabe war es, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Loveparade hier stattfinden kann. Wir haben das auf der Grundlage von Besucherzahlen getan, die realistisch waren. Der Veranstalter hat uns gebeten, keine anderen Besucherzahlen nach außen zu tragen als er selbst. Es ist nicht Aufgabe einer Stadtverwaltung, einen Veranstalter diesbezüglich in die Pflicht zu nehmen. Das ist bei der Loveparade in Dortmund nicht geschehen und auch nicht bei der in Essen.

Es heißt, Sie hätten die Loveparade um jeden Preis in der Stadt haben wollen. Stimmt das?

Sauerland Um jeden Preis auf gar keinen Fall. Bei unserer Arbeit stand die Sicherheit der Besucher immer im Vordergrund. Um diese Sicherheit zu gewährleisten, haben wir gearbeitet. Und wir haben externe Sachverständige mit der Beurteilung unserer Arbeit betraut. Erst als alle Bedenken ausgeräumt waren, haben auch wir das O.K. gegeben. Wie bei solchen Veranstaltungen üblich, haben wir bis kurz vor Beginn der Loveparade noch kontrolliert, dass sich der Veranstalter an unsere Auflagen hält. Im Übrigen haben alle die Loveparade in der Stadt haben wollen: der Oberbürgermeister, der Rat der Stadt Duisburg, die Landesregierung, der Regionalverband Ruhrgebiet, das Kulturhauptstadt Büro und natürlich auch Lopavent.

Wenn Sie überzeugt sind, dass die Stadtverwaltung keine Fehler gemacht hat, wer ist denn dann für die Katastrophe verantwortlich oder trägt die Schuld für 21 Tote?

Sauerland Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und vielleicht auch eines Untersuchungsausschusses im Landtag das herauszufinden. Ich beteilige mich bestimmt nicht an irgendwelchen Schuldzuweisungen. Ich bin wirklich nur daran interessiert, die Fakten zu kennen, die zu der Katastrophe geführt haben.

(RP)
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