Diese Düsseldorfer sind dagegen Vier Demos vor dem Rathaus

Düsseldorf · Vor der Ratssitzung hatten sich hunderte Protestierer am Rathausplatz eingefunden, um gegen die unterschiedlichsten Dinge zu demonstrieren. Es ging um Tarifstreit, Kita-Erhalt, Allwetterbad in Flingern, die Kastration von Katzen, Wohnungsnot – und alle waren irgendwie solidarisch.

Wohnungsmarkt 2012: Düsseldorfer protestieren
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Vor der Ratssitzung hatten sich hunderte Protestierer am Rathausplatz eingefunden, um gegen die unterschiedlichsten Dinge zu demonstrieren. Es ging um Tarifstreit, Kita-Erhalt, Allwetterbad in Flingern, die Kastration von Katzen, Wohnungsnot — und alle waren irgendwie solidarisch.

Britta Wortmann steht mit einem Megaphon auf dem Rathausplatz. Angespannt blickt die Verdi-Sekretärin zur Kundgebung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie hat nur noch 20 Minuten bis zur Ratssitzung. Doch solange die NGG-Lautsprecher tönen, ist ihr Megaphon machtlos. NGG-Chef Dieter Schorrmann spricht zu hundert Mitarbeitern des Suppenherstellers Zamek. Sie tragen weiß-rote Westen, schwenken NGG-Fahnen. Das dauert. Auf einen Satz des Gewerkschaftsfunktionärs folgt immer ein unterstützendes Trillerpfeiffenkonzert. Schorrmann spricht — pfeifen.

Die Zamekianer streiken seit Wochen, es geht um Urlaubsgeld, Haustarif und die Drohung, das Werk zu schließen. Eigentlich ist die Einigung schon zum Greifen nah. Der Vertrag des Arbeitgebers ist schon auf dem Postweg zur NGG. Bald steht wohl die Urabstimmung an. Doch die NGGler kämpfen bis zum Schluss. Auch Schorrmann findet kämpferische Worte. Dann verliest eine Frau die Solidaritätsbekundung der IG Metall. Die Menge jubelt. Ein Hauch von 1. Mai weht über den Rathausplatz. Dann bekundet Schorrmann seine Solidarität — mit den Erzieherinnen von Verdi. "Wenn die Zamek-Mitarbeiter mehr verdienten, wäre auch mehr Geld für Kindergärten da", sagt Schorrmann.

80 Erzieherinnen und viele Eltern haben sich im Kreis um Britta Wortmann versammelt. Es geht um die Privatisierung von 20 städtischen Kitas. Die Erzieherinnen sollen bei der Stadt bleiben. "Die Kinder verlieren ihre Bezugspersonen. Außerdem brauchen wir eine Vielfalt von Trägern bei Kitas und die ist in Gefahr", sagt Wortmann. Durchs Megaphon beschreibt sie, wie menschenverachtend Verdi die Privatisierung der Kindergärten findet. "Sparmarkt statt Jahrmarkt" heißt das Motto, und an Ständen wie Hau den Lukas oder einer Wurfbude kann man Kindertagesstätten schließen. Es ist der Gegenentwurf zur NGG-Demo. Eines darf am Ende dennoch nicht fehlen: die Solidaritätsbekundung für die Kollegen bei Zamek: "Gegen die Unsicherheit — wir führen den gleichen Kampf", sagt Wortmann.

Sigrid Weinreich trägt ein Schild mit der Aufschrift: "Allwetterbad — wir hams gebaut wir wolln's erhalten." Früher ging die 78-Jährige zu Maikundgebungen in den Hofgarten. Jetzt kämpft sie für das Flingeraner Bad. "Als ich die Trillerpfeifen hörte, dachte ich das wäre mein Verein", sagt Weinreich. Doch ihre Demo ist kleiner als die Lautstarken von Verdi und NGG. Mit 20 Aktiven — die meisten mit grauem Haar — übergibt sie eine Liste mit 2800 Unterschriften an Dezernent Burkhard Hintzsche. Die Allwetter-Bad-Aktivisten wirken bürgerlich, gesittet aber in ihrem Kampf ums Bad nicht weniger entschlossen als die anderen Protestler. Solidarität erfahren auch sie. "Ich fühle mit Ihnen, ich hab da schwimmen gelernt", sagt etwa DGB-Chef Klaus Reuter, der zuvor zu den NGG-Arbeitern gesprochen hatte.

Elke Ackermann vom Katzenschutzbund sammelt Unterschriften für Kastrationen von freilaufenden Katzen. "Meine Demo ist nicht angemeldet", sagt Ackermann. Sie fürchtet Ärger. Den bekommt sie aber nicht. Sie ist allein auf ihrer Demo. Doch die Solidarität der anderen Demonstranten ist ihr sicher. Keiner bei Verdi, Zamek oder Schwimmern verweigert ihr die Unterstützungsunterschrift.

Die letzte Demonstration des Tages findet um 17 Uhr vor dem Rathaus statt. Vorher war dort kein Platz. Oliver Ongaro vom Obdachlosenmagazin fifityfifty spricht zu 60 Zuhörern. "Düsseldorf ist nicht nur eine Stadt für Schöne und Reiche. Ein Dach über dem Kopf ist ein Grundbedürfnis", sagt Ongaro. 7000 Wohnungen würden fehlen. "Das trifft vor allem die Armen."

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