Düsseldorf Schreiben in Zeiten der Revolution
Düsseldorf · Der ukrainische Bestsellerautor Andrej Kurkow stellte sein Kriegs-Tagebuch im Hauptmann-Haus vor.
Als die Revolution auf dem Kiewer Majdan begann, arbeitete Andrej Kurkow gerade an einem neuen Roman. Die dramatischer werdenden Geschehnisse auf dem Platz ließen seine fiktionalen Handlungsstränge immer unwichtiger erscheinen. Denn Kurkow lebt mit seiner Familie in unmittelbarer Nähe und konnte im Winter 2013 nicht nur die brennenden Barrikaden sehen, sondern auch die Explosionen der Granaten hören. So rief er seinen Verleger in Österreich an und bot ihm ein neues Buch an: ein "Ukrainisches Tagebuch".
Aus diesem Buch las der Autor jetzt im Gerhart-Hauptmann-Haus und sprach über die Ereignisse mit Michael Serrer vom Literaturbüro NRW. Anders als die durchgeplante "orangene" Revolution entstand die Majdan-Bewegung spontan. Anlass war die Weigerung des damaligen Präsidenten Janukowitsch, ein Assoziierungsabkommen mit Europa zu unterzeichnen. Und Europa ist, so Kurkow, für die Ukrainer ein magischer Ort der Glückseligkeit, eine Welt ohne die in ihrem Land omnipräsente Korruption. Von November bis März schickte der Autor täglich einen Tagebuchtext nach Wien. Manche dieser Eintragungen waren persönlich und mit Namen versehen, die in der russischen Ausgabe aus Vorsicht weggelassen wurden.
Kurkows Thema, dies wurde in dem vom Publikum lebhaft mitverfolgten Gespräch deutlich, war die Glaubwürdigkeit einer medial opulent präsentierten Handlungskette. Er selbst hat 5000 Fotos gemacht, um manche Absurdität, manches Chaos auf der Bühne des Majdan zu dokumentieren. Als etwa über Facebook zur Teilnahme an dieser Revolution aufgerufen wurde, schlugen dort neben Kommunisten und Faschisten auch Gruppen "virtueller Krieger" in Phantasieuniformen ihre Zelte auf. Hiervon angelockt, wollte sogar Kurkows eigener Sohn auf dem Platz mitmischen.