Geschichte von Speeren, Pfeil und Bogen Vorfahren bewiesen großen Erfindungsgeist

Geschichte von Speeren, Pfeil und Bogen · Mit Innovationen großen Stils wird kaum ein Laie sie wohl in Verbindung bringen - gleichwohl dürften es die Neandertaler gewesen sein, die etwa um 40.000 vor Christus für eine bedeutende Veränderung in der "Jagdtechnologie" gesorgt haben.

Sie versahen nämlich die seit mehreren 100.000 Jahren gebräuchlichen Jagdspeere mittels des teerähnlichen Birkenpechs erstmals mit Steinspitzen, um die Durchschlagskraft ihrer Arbeitsgeräte zu erhöhen. Jürgen Junkmann, der jetzt auf Einladung des Geschichtsvereins für Dormagen, Nievenheim und Zons im Historischen Rathaus in Dormagen über die Geschichte von Pfeil und Bogen referierte, tauchte mit seinen Zuhörern zunächst tief in die Vorgeschichte ein, bevor er sich ausführlich der gegen Ende der Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren beginnenden Historie von Pfeil und Bogen widmete.

Nach dem Speer, beziehungsweise der Speerschleuder waren Pfeil und Bogen geradezu "eine Revolution in der Jagdtechnologie", sagte der Kölner Archäologe, der sich mit dem Thema auch im Rahmen seiner Doktorarbeit beschäftigt. Um es nicht bei der bloßen Theorie bewenden zu lassen, hatte er etliche selbst gebaute Bögen aus verschiedenen Kulturkreisen zur Ansicht mitgebracht.

Auch ihre Tauglichkeit hat Junkmann selbst getestet, so etwa bei "prähistorischen Wettbewerben", an denen auch Jost Auler, der Vorsitzende des Geschichtsvereins, schon einmal teilgenommen hat. Das durchaus frappierende Ergebnis derartiger Wettkämpfe: Die Treffsicherheit von Pfeil und Bogen ist gerade mal um ein Drittel höher als die einer fachgerecht gehandhabten Speerschleuder.

Für deren Verdrängung durch Pfeil und Bogen seien das Verschwinden der Steppe und die Wiederbewaldung gegen Ende der Eiszeit maßgebliche Ursachen gewesen: "Jede Erfindung hat ihre Zeit", meint Jürgen Junkmann unter Hinweis auf die gravierend veränderten äußeren Bedingungen am Ende der Eiszeit. Neue (Jagd-)Technologien seien halt so lange nicht nötig gewesen, so lange der Gebrauch des Langspeers funktionierte.

Dass Pfeil und Bogen schon in der Urzeit beileibe nicht allein zur Jagd gebraucht wurden, illustriert der Fund eines aus dem sechsten Jahrtausend vor Christus datierenden Massengrabs. Auch bei "Ötzi", dem wohl prominentesten Vorfahren der heutigen Menschheit, fand sich im Schulterbereich eine Speerspitze. Im derzeit unter Wissenschaftlern tobenden Meinungsstreit, ob der rund 5.500 Jahre alte Südtiroler womöglich aus religiösen oder anderen Gründen ermordet worden sein könnte, vertritt Jürgen Junkmann eine eher nüchterne Position.

Für ihn bleibt bis auf Weiteres "das Rätsel ,Ötzi' ungelöst": Im Schulterbereich von einem Pfeil getroffen zu werden, sei zwar eine schmerzhafte Angelegenheit, doch "letztlich war es nur eine Fleischwunde, die nicht zum Tode führen muss", so die eher unspektakuläre These des Archäologen. S.M.

(NGZ)
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