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Hintergrund Erinnerung an die "Polenaktion"

Dinslaken · Heute ist Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland und Internationaler Holocaustgedenktag.

 Leo Friedländer lebte im Israelitischen Waisenhaus in Dinslaken.

Leo Friedländer lebte im Israelitischen Waisenhaus in Dinslaken.

Foto: Foto Alon Danieli

Im Gedenkjahr 2018 wird Gunter Demnig wieder Stolpersteine im Dinslakener Stadtgebiet verlegen. Der Schwerpunkt des Gedenkens liegt bei den Menschen, die bei der sogenannten Polenaktion im Oktober 1938 nach Bentschen/Zbaczyn in Polen deportiert wurden.

Am 6. Oktober 1938 erließ die polnische Regierung eine Verordnung über die einmalige Prüfung der von den polnischen Auslandsvertretungen ausgestellten Pässe. Diese Verordnung sah bei Zweifeln an der Gültigkeit des Passes vor, den Inhabern die polnische Staatsbürgerschaft und somit jegliche legale Rückkehrmöglichkeit nach Polen zu entziehen. Dem zugrunde lag die Annahme, dass bei der andauernden antisemitischen Politik der deutschen Reichsregierung eine hohe Anzahl von in Deutschland lebenden polnischen Juden in ihre Heimat zurückkehren könnte.

Die deutsche Reichsregierung ihrerseits befürchtete, dass gegebenenfalls tausende staatenloser, aus Polen stammender Juden in Zukunft in Deutschland leben würden. So konzentrierten die Deutschen am 27. und 28. Oktober 1938 etwa 17.000 Menschen aus allen Teilen des Reichsgebietes und brachte sie in Zügen aus den einzelnen Regionen Deutschlands zur polnischen Grenze beziehungsweise in das Niemandsland. Sie wurden mehrheitlich in Bentschen, aber auch in kleineren Städten unter katastrophalen Bedingungen untergebracht.

In Dinslaken wurde am 27. Oktober die Familie Abosch nach Polen deportiert. Dies waren das Ehepaar Sindel und Hinda Abosch sowie die drei Söhne Otto, Oskar und Willy. Sie lebten in zwei Zimmern bei der Familie des Viehhändlers Spiegel an der Bismarckstraße. Innerhalb von einer halben Stunde mussten die Aboschs ihre Habseligkeiten packen und wurden in Polizeigewahrsam genommen.

Auch drei Bewohner des Israelitischen Waisenhauses wurden zunächst im Polizeigefängnis inhaftiert: der fünfzehnjährige Leo Friedländer, der zwölfjährige Siegfried Kleppner und der im Waisenhaus tätige zweiundzwanzigjährige Samuel Graudenz.

Leo Friedländer stammte aus Duisburg-Ruhrort und war das jüngste Kind des Ehepaares Eugenie und Wolf Friedländer. Friedländer war Handelsreisender, seine Ehefrau versorgte die vier Kinder Selma, Sophie, Adolf und Leo. 1929 kam es im Haus der Friedländers durch eine defekte Gasleitung zu einem schrecklichen Unglück, an dessen Folgen das Ehepaar Friedländer starb. Die Älteste, Selma, war bereits verheiratet, Sophia war mit ihren achtzehn Jahren in der Lage, sich allein zu versorgen. Die beiden Jüngsten, Adolf und Leo, fanden im Israelitischen Waisenhaus Dinslaken ein neues Zuhause. 1938 emigrierte Adolf Friedländer in die Niederlande, sein Bruder blieb im Waisenhaus.

Gemeinsam mit Samuel Graudenz und Siegfried Kleppner sowie der Familie Abosch wurde Leo Friedländer im Polizeigebäude des Rathauses inhaftiert und am nächsten Morgen nach Duisburg zum Hauptbahnhof gebracht. Mit den in Duisburg lebenden polnischen Juden wurden die Dinslakener nach Polen deportiert. Am Pogrommorgen des 10. November wurde die Wohnung der Familie Abosch zerstört und geplündert. Nur Otto Abosch überlebte dank eines Kindertransports nach England den Krieg. Von Samuel Graudenz ist bekannt, dass er sich über Vilnius in Litauen, die Sowjetunion und Shanghai retten konnte. 1947 gelangte er in die USA, 1978 und 1990 besuchte er Dinslaken. Auch Siegfried Kleppner hielt sich bis 1941 in Vilnius auf, danach verliert sich seine Spur.

Leo Friedländer lebte vermutlich bis 1942 bei Verwandten seiner Mutter im galizischen Perechinsko bei Dolina. Eine an ihn am 1. Oktober 1942 gerichtete Postkarte war nicht mehr zustellbar. Seither gab es von ihm kein Lebenszeichen mehr.

Für Leo Friedländer und die Familie Abosch wird Gunter Demnig im Herbst 2018 Stolpersteine verlegen. Der Großneffe von Leo Friedländer möchte daran teilnehmenkommen. Sollte bis dahin noch mehr über Siegfried Kleppners Schicksal in Erfahrung gebracht werden können, wird der Verein Stolpersteine für Dinslaken auch für ihn die Patenschaft über einen Stein übernehmen.

(RP)
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