Missbrauchsprozess gegen Fotografen in Köln „Er mag Kinder“

Köln · Ein Fotograf soll mehrere Kinder-Models über Jahre sexuell missbraucht haben. Er bestreitet das. Vor dem Kölner Landgericht ist nun der Prozess gestartet. Die Verteidigung kritisiert, das Verfahren sei im Vorfeld manipuliert worden.

Der Angeklagte mit seiner Verteidigerin Denise Gerull am Montag im Landgericht Köln.

Der Angeklagte mit seiner Verteidigerin Denise Gerull am Montag im Landgericht Köln.

Foto: dpa/Marius Becker

Seine Verteidiger werden den Angeklagten vorgewarnt haben. Sie werden ihm gesagt haben, dass im Gerichtssaal Fotografen und Kameraleute warten. Doch der 53-Jährige verdeckt sein Gesicht nur mit einem Mund-Nasen-Schutz, als er am Morgen den Saal 7 im Landgericht Köln betritt. Er schaut sich die Fotografen an und blickt in den Zuschauersaal. Es sind viele Menschen gekommen, die ihn kennen oder mit ihm gearbeitet haben. Der Angeklagte ist ein „international tätiger Kinderfotograf“, so bezeichnet ihn der Staatsanwalt wenig später bei der Anklageverlesung. Was die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft, dürfte das Ende seiner Karriere bedeuten, wenn die Vorwürfe sich im Prozess bestätigen. Und die Verteidiger sind entschlossen, dem Gericht „die wahren Tatsachen näher bringen zu können“, wie sie vor dem Prozess mitteilten.

Der Angeklagte, nach eigenen Angaben als freischaffender Fotograf und Regisseur tätig, soll nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft über Jahre minderjährige Jungen sexuell missbraucht haben, die als Fotomodelle viel Zeit mit ihm verbracht haben. Angeklagt sind 17 Fälle, in zwölf Fällen geht es um schweren sexuellen Missbrauch. Die mutmaßlichen Opfer sind sechs Jungs, der jüngste war sieben Jahre, der älteste 13 Jahre alt, als der Fotograf sich an ihnen vergangen haben soll. Die älteste Tat soll er 1999, die jüngste 2018 begangen haben. Bei einer Hausdurchsuchung wurde im Juni 2021 zudem ein Foto in einem Cloud-Speicher des Angeklagten sichergestellt, das den Missbrauch eines Kindes zeigen soll. Er soll sich den Kindern gegenüber wie ein erwachsener Freund oder gar ein Ersatzvater verhalten haben. Mit einigen Müttern der Jungs ging er laut Anklage partnerschaftliche Beziehungen ein. Zwei Kinder sind Brüder.

Die Taten soll er zum einen bei Übernachtungsbesuchen der Kinder in einem Kölner Apartment begangen haben. Aber auch, wenn er mit den Jungs beruflich unterwegs war – als Tatorte führt die Staatsanwaltschaft etwa Sardinien, die Malediven, ein Hotel Resort auf Gran Canaria und Orlando in Florida an, wo er mit einem Jungen das Walt Disney World Resort besuchte. Bis zu zwei Wochen sollen die Jungs mit ihm allein unterwegs gewesen sein. Der Staatsanwalt benennt bei den Tatbeschreibungen sämtliche Arten des sexuellen Missbrauchs, die vorstellbar sind. Schmerzensschreie und Bitten der Kinder, aufzuhören, soll der Angeklagte ignoriert haben. Ein Junge, damals zehn Jahre alt, biss sich laut Anklage selbst in die Hand, um die Schmerzen zu ertragen.

Der Vorsitzende Richter wendet sich an den Angeklagten: „Sie haben das Recht zu schweigen“, sagt er. Ulrich Sommer, einer der Verteidiger, sagt: „Mein Mandant wird sich schweigend verteidigen.“ Die Verteidigung hat sich für den ersten Prozesstag einiges überlegt. Rechtsanwältin Denise Gerull verteilt mehrere Kinderfotos an alle Prozessbeteiligten. In einem sogenannten Eröffnungsplädoyer klärt Rechtsanwalt Sommer dann auf, was die Aktion bezwecken soll. „Kann ich von den Bildern auf denjenigen schließen, der sie gemacht hat?“, fragt er. Seine Antwort lautet nein, einige Fotos stammen von seinem Mandanten, andere von anderen Kinderfotografen. Die Verteidigung kritisiert damit eine Stylistin, die vor dem Prozess in einem Zeitungsbericht schwere Vorwürfe gegen den 53-Jährigen erhoben hatte und über das Foto eines Jungen in Badehose zu ihm gesagt haben soll, dafür müsse er eigentlich in den Knast kommen. „Er mag Kinder“, sagt Sommer über seinen Mandanten. „Sonst hätte er nicht die Nähe erzeugen können, die auf den Bildern zu sehen ist.“ Die Stylistin ist auch als Zeugin im Prozess geladen.

Sommer kritisiert eine Vorverurteilung seines Mandanten, aus einem Verdacht sei von Anfang an eine Tatsache geworden – auch seitens der Polizei, die nicht wirklich um Wahrheitsfindung bemüht gewesen sei. Das Verfahren sei außerdem im Vorfeld durch Aussagen von Frauen, die mit ihrer Zuneigung beim Angeklagten „abgeblitzt“ seien, sowie ehemaligen Mitarbeitern „manipuliert und korrumpiert“ worden, wie Sommer sagt.

Fünf der mutmaßlichen Opfer nehmen als Nebenkläger teil. Nebenklage-Vertreterin Monika Müller-Laschet sagt: „Dass der Angeklagte einen guten Zugang zu Kindern hatte, ist eine der Grundvoraussetzungen für Taten wie die, die ihm vorgeworfen werden.“ Für den Prozess sind 27 Verhandlungstage bis Ende September angesetzt. Sollte der Angeklagte verurteilt werden, droht ihm eine Freiheitsstrafe von zwei bis 15 Jahren.

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