Deutschland Party und Einsamkeit: Insel der Gegensätze

Norderney · Auf der zweitgrößten ostfriesischen Insel Norderney kann man entspannt Wolkenkino gucken oder braufrisches Pils am Strand genießen.

 Durch die Dünen von Norderney ziehen sich viele Kilometer Wanderwege.

Durch die Dünen von Norderney ziehen sich viele Kilometer Wanderwege.

Foto: dpa-tmn/Stefan Pähz

Mit geschlossenen Augen liegt das Pärchen in der Sonne, den Oberkörper eng an die Rundungen des wettergegerbten Lärchenholzes geschmiegt. Beide atmen die heilsame Meeresluft ein. Für wenige Minuten haben Gina und Arnd Oltmanns die Thalasso-Aussichtsplattform am Zuckerpad auf Norderney für sich ­allein. Dann schaltet das Leben einen Gang weiter, ein kleiner Junge tollt oberhalb ihrer Köpfe herum, fünf Damen aus dem Münsterland starten ihren Klönsnack eine Ebene tiefer.

Thalasso, Gesundheit aus und mit dem Meer: Auf Norderney lässt sie sich auf verschiedenen Wegen erleben. Drei imposante Aussichtsplattformen sind in die Dünen hineingebaut. Selten ist Entspannung so gesund wie hier. Das 2005 eröffnete Badehaus ist Deutschlands größtes Thalasso­haus. Darin gibt es Meerwasser in unzähligen Varianten, Schlickpeeling und weitere Kurmittel-Anwendungen, eine Nordsee-Waschstraße und Brandungsbecken auf der Familienebene.

Entspannen und Feiern

Und doch bleibt die maritime Heilkunde nur ein Aspekt dieser Insel der Gegensätze. „Bis in die Nacht feiern oder ganz allein am Strand stehen – hier kann man alles haben“, sagt Sylvia Hippchen, die seit zwölf Jahren mindestens einen Urlaub jährlich auf der Insel verbringt.

1797 wurde die Insel das erste deutsche Nordseeheilbad. Das Hannoversche Königshaus hatte hier seine Sommerresidenz. Sichtbares Zeichen dieser glorreichen Vergangenheit: das imposante, strahlend weiße Conversationshaus am Kurplatz. Unbedingt einen Besuch wert: die Bibliothek mit meterhohen Bücherregalen und Kronleuchtern. Lesefutter gibt es mit der Norderney-Card gegen ein geringes Entgelt.

 Bei Veranstaltungen wie dem Open-Air-Musik-Event „Summertime“ zieht es Tausende Besucher auf die Insel Norderney.

Bei Veranstaltungen wie dem Open-Air-Musik-Event „Summertime“ zieht es Tausende Besucher auf die Insel Norderney.

Foto: dpa-tmn/Janis Meyer

Der Trubel konzentriert sich auf den Westen der Insel. Wer mag, bummelt durch die vielen kleinen Straßen oder schaut den anderen zu, während er Sekt im Inselhotel König schlürft. Kurkonzerte und Kabarettvorstellungen locken als kulturelle Bonbons. Beim „White Sands Festival“ der Surfer und Beachvolleyballer oder dem Open-Air-Musik-Event „Summertime“ feiern Tausende auf der Insel.

Touren zum Entdecken

Wer es ruhiger haben will, erkundet Norderney in die entgegengesetzte Richtung – Richtung Ostende. 80 Kilometer Wanderwege ziehen sich über die Insel, ein Paradies für Jogger und Radfahrer. Vorbei an knorrigen, windgegerbten Birken, lockt am Horizont Norderneys Leuchtturm als Richtmarke – die meisten Wege führen an ihm entlang.

Dann endlich ragt er imposant vor einem empor. 252 Stufen hinauf, den Blick angestrengt nach oben gerichtet – um dann mit pumpendem Herzen den Rundumblick auf die Aussichtsdüne, das Städtchen, Festland und Naturschutzgebiet zu genießen. Ein paar Stufen tiefer ermöglicht eine Glaskuppel den freien Blick auf die technische Anlage. Das Besondere: Die Leuchtfeuerlinse stammt aus Frankreich und dreht sich links herum – einzigartig in Deutschland.

Aufsitzen, weiterstrampeln. „Inselende 7 km“, verkündet ein Schild. Am Parkplatz Ostheller ist für Radfahrer Schluss. An die Ostspitze kommt man nur zu Fuß. Für den Hinweg fällt die Wahl auf die Strandvariante. Endlose, sandige Weite. Muscheln knirschen unter den Schuhen. Allein mit Wind, Wellen und dem Meeresrauschen. Die Hektik der Stadt ganz weit weg. In gebührendem Abstand eine Handvoll Gleichgesinnte.

Ihr Ziel: das Wrack eines Muschelbaggers, 1968 zum Freischaufeln eines festsitzenden Schiffes genutzt und da selbst gestrandet. Seitdem rostet es am Ostende vor sich hin. Ein perfekter Platz für eine Picknickpause. Am abgezäunten Strandabschnitt sonnen sich Robben. Wenige Wellenmeter entfernt: die Nachbarinsel Baltrum, Häuser und Kirchturm schon deutlich zu erkennen. Bei Ebbe kann man sogar rüberwandern. Aber nur mit einem kundigen Wattführer.

Der Rückweg schlängelt sich durch die gleichförmige Dünenlandschaft. Anderthalb Stunden zwischen grasbewachsenen Hügeln, über schmale Bäche, um kleine Tümpel herum. Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. Immer wieder sinken die Schuhe im sumpfigen Boden ein. Nicht umsonst hatte der Hotel-Concierge am Morgen ein Wechsel-Paar empfohlen – für alle Fälle.

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