Traumakongress in Gießen Gewalt kann körperliche Krankheiten auslösen

Gießen · Menschen, denen körperliche Gewalt angetan wurde, haben durch ihre traumatischen Erlebnisse nicht nur häufig unter psychischen Störungen zu leiden. Sie tragen auch ein höheres Risiko, körperlich krank zu werden. Das belegen Studien, die beim Internationalen Traumakongress in Gießen vorgestellt wurden.

Traumatische Erlebnisse, wie zum Beispiel Gewalterfahrungen können langfristig nicht nur zu psychischen sondern auch zu körperlichen Erkrankungen führen. Aktuelle Studien aus den USA und Deutschland, die jüngst beim Traumakongress in Gießen vorgestellt wurden zeigen, dass Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen und andere chronische Krankheiten haben.

Bis zu zehn Prozent der Erwachsenen in Deutschland geben an, in ihrem Leben gewalttätige Übergriffe erlebt zu haben. Solche traumatischen Erlebnisse haben Folgen, nicht nur für die Psyche: "Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Entwicklung von chronischen körperlichen Erkrankungen durch traumatische Erfahrungen begünstigt wird", sagt Tagungspräsident Professor Dr. Johannes Kruse, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie an der Universität Gießen.

Risikomarker zeigt Gefährdung an

So haben Wissenschaftler des "US Department of Veterans Affairs" festgestellt, dass Kriegsveteranen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) deutlich häufiger an einer koronaren Herzerkrankung (KHK) leiden als Veteranen ohne PTBS. Bei 76 Prozent der Veteranen mit der Belastungsstörung konnten die Forscher so genannten Koronarkalk, einen Risikomarker für zukünftige Herzinfarkte, nachweisen. Bei den nicht-traumatisierten Veteranen war dieser bei 59 Prozent der Fall. Die gemessenen Werte lagen bei den PTBS-Erkrankten um durchschnittlich 25 Prozent höher als bei der Vergleichsgruppe.

Auch andere chronische Leiden wie etwa Asthma, Diabetes, chronische Schmerzerkrankungen, Osteoporose oder Schilddrüsenerkrankungen sind mitunter Folge eines Traumas, beziehungsweise einer PTBS. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler am Universitätsklinikum Leipzig in einer großen epidemiologischen Untersuchung der älteren deutschen Bevölkerung. Wie die Forscher im Fachblatt "Psychosomatic Medicine" berichten, sind Menschen mit PTBS durchschnittlich fast drei Mal so häufig von chronischen Krankheiten betroffen wie Menschen ohne Traumatisierung.

Häufig erhöhte Entzündungswerte

Experten vermuten, dass zum einen der risikoreiche Lebensstil von PTBS-Erkrankten, wie ein erhöhter Zigarettenkonsum, zur Entstehung chronischer Krankheiten beiträgt. Darüberhinaus sind die Erkrankungen wahrscheinlich auch direkte Folge des Traumas: Patienten mit PTBS reagieren auf Belastung mit intensiveren und länger anhaltenden Ausschüttungen von Stresshormonen, ihre Blutwerte zeigen zudem häufig Zeichen einer chronischen Entzündung. "Stresshormone und Entzündungsbotenstoffe sind Risikofaktoren für Typ 2-Diabetes und koronare Herzerkrankungen", erklärt der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) Johannes Kruse.

Patienten mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) werden ungewollt – etwa in Albträumen – immer wieder mit einem traumatischen Erlebnis konfrontiert. Sie versuchen, Gedanken, Orte und Aktivitäten zu vermeiden, die mit dem Trauma zusammenhängen. Symptome wie Depressionen, Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und sozialer Rückzug können Folgen eines Traumas sein.

(wat/chk/RPO)
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