Mit Knopf im Ohr Musik kann das Lauftraining erleichtern

Berlin/Saarbrücken (RPO). Rein in die Trainingsklamotten, Laufschuhe an, Kopfhörer auf. Zum Start das langsame Lieblingslied, dann ein etwas schnellerer Rhythmus, und die Füße bewegen sich wie von selbst. Für viele Jogger ist das Lauftraining ohne Musik undenkbar. Fachleute empfehlen aber, ab und an auch mal ohne den Knopf im Ohr unterwegs zu sein.

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Herbert Löllgen sieht Musik als Anreiz, überhaupt zu laufen. Für manche Jogger sei "nur Laufen" etwas langweilig, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention in Berlin. "Es gibt Menschen, die Musik zur Motivation beziehungsweise zur Ablenkung brauchen und vielleicht nur so in der Lage sind, eine bestimmte Strecke zu laufen", vermutet auch Uschi Moriabadi von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement/BSA-Akademie in Saarbrücken.

Ob Musik beim Laufen eher nützt oder schadet, ist wissenschaftlich bislang kaum erforscht. Moriabadi ist der Ansicht, dass Läufer länger durchhalten, wenn sie sich auf ihre Lieblingsmusik konzentrieren und dem Rhythmus folgen - auch wenn ihr Körper vielleicht lieber aufhören würde. "Musik am Rande von Marathonstrecken soll ebenfalls stimulierend sein", ergänzt Löllgen. "Meine Erfahrungen beim Marathon sind aber eher neutral. Das heißt, Musikgruppen an der Laufstrecke bewirken nichts - es sei denn, der Rhythmus entspricht dem Laufrhythmus."

Wieviel "Beats per minute"?

Der Knackpunkt sind die "beats per minute" (bpm), die die Musikstücke aufweisen. Einer Studie des Sportpsychologen Costas Karageorghis von der Brunel University in Uxbridge (England) zufolge sollte der Rhythmus der Musik im Bereich der Lauf-Pulsfrequenz liegen. "Also bei 110 bis 130 pro Minute", erläutert Löllgen. Das könnte den Laufrhythmus stabilisieren und damit die Leistung des Sportlers etwas steigern.

Sofern sich ein Läufer überhaupt mit dem Thema bpm auseinandersetzen will, sollte er als Richtwert einen Teiler der eigenen Schrittzahl pro Minute nehmen, rät Frank Hofmann. Wer zum Beispiel 180 Schritte in 60 Sekunden macht, suche sich am besten Musik mit 90 oder 45 bpm aus, erklärt der Laufexperte und Chefredakteur des Laufmagazins "Runner's World". Doch das ist gar nicht so einfach: Zwar gebe es auch schon iPhone-Apps, um die bpm zu ermitteln, oft gelinge das aber nur mit DJ-Programmen.

"Grundsätzlich sollte die Musik einen gleichmäßigen Rhythmus aufweisen, ein Dreivierteltakt wäre ungünstig", empfiehlt auch Moriabadi. Ihrer Ansicht nach sollten die bpm der Schrittfrequenz entsprechen. Eine ideale Laufgeschwindigkeit liege zwischen 130 und 150 bpm - "wobei 130 bpm eher langsam und 150 bpm als eher schnell einzustufen ist". Wer schneller läuft und die Schritte trotzdem eins zu eins übertragen will, landet laut Hofmann schnell bei Heavy Metal -und das kann dann eher schaden als nützen, warnen die Fachleute.

Denn Musik lenke von der allgemeinen Körperwahrnehmung ab und verändere zugleich den "inneren Rhythmus", erklärt Moriabadi. "Ist die Musik zu schnell für den natürlichen Laufrhythmus, wird der Läufer zumindest eine bestimmte Zeit versuchen, dem Rhythmus der Musik zu folgen - das bedeutet, er wird schneller, der Puls steigt und die Atemfrequenz wird schneller." Unbewusst überfordert er sich dann womöglich. Auch Hofmann hält Musik daher für umso hinderlicher, je leistungsorientierter das Lauftraining ist.

Lieber Dur statt moll

Natürlich spielt auch der persönliche Geschmack eine Rolle. Löllgen ist der Ansicht, dass Musik grundsätzlich mehr Abwechslung in den Laufalltag bringen kann. Helle, freundliche Dur-Klänge motivieren nach Moriabadis Einschätzung besser als dunkle, manchmal traurig erscheinende Moll-Töne. Hofmann weist allerdings darauf hin, dass die Musikwahrnehmung auch von der eigenen Stimmung abhängig ist: Einige Stücke, die er sonst gern hört, machten ihn manchmal aggressiv.

Hinzu kommt, dass Musik von den Umgebungsgeräuschen ablenkt. "Die sollte man noch hören können", sagt Hofmann - zum Beispiel, um ein herannahendes Auto rechtzeitig zu bemerken. "Dadurch scheidet Musik aus, die Zuhören erfordert, zum Beispiel Mozarts Klarinettenkonzert Köchelverzeichnis 622."

Ideal sei es, mal mit und mal ohne Musik zu laufen, rät Moriabadi. An Tagen, an denen man sowieso keine Lust zum Laufen hat, könnte die Musik also motivieren. "An anderen Tagen ist es aber auch wichtig, sich mal uneingeschränkt auf den Körper zu konzentrieren, das Laufen wirklich zu erspüren." Den eigenen Herzschlag oder das Vogelgezwitscher wahrnehmen: Das ist eben manchmal doch die bessere Hilfe beim Abschalten und Entspannen.

(tmn/felt)
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