Fünf-Punkte-Aktionsplan Spaß am Sport lernen

Düsseldorf (RP). 1,9 Millionen Kinder in Deutschland sind zu dick. Die Gründe: Sie ernähren sich falsch und bewegen sich kaum. Schritt für Schritt müssen die übergewichtigen Kinder und Jugendlichen erfahren, was es heißt, gesund zu leben.

Wie man seine Fitness testen kann
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Es gab eine Zeit, da waren sie beide schwer übergewichtig: der zehnjährige Leon und seine Mutter. Die Mutter kriegte die Kurve, nahm innerhalb von wenigen Monaten fast 30 Kilogramm ab. Leon ist weiter übergewichtig - und schon deshalb ziemlich frustriert. Als dann Anfang des Jahres auch noch der Ersatzvater die Familie verließ, begann Leon, noch mehr zu essen. Und immer dann, wenn es ihm schlecht ging.

Leon ist eines von 1,9 Millionen übergewichtigen Kindern in Deutschland. 1,1 Millionen davon haben "normales" Übergewicht, rund 800000 sind adipös, krankhaft dick. Seit Anfang des Jahres geht Leon wöchentlich in eine Gruppe für übergewichtige Kinder.

"Schwer in Bewegung" heißt das Programm der Sportjugend NRW, das unter anderem in Straelen - Leons Wohnort - in Kooperation mit der AOK Kleve durchgeführt wird. Petra Impekoven leitet die Gruppe, treibt mit den Kindern Sport. "Bei uns geht es nicht um Leistung und Wettbewerb, sondern um Spaß an der Bewegung", sagt Impekoven. Weil es nicht schön und ganz schlecht für das Selbstwertgefühl ist, immer der Schwächste in einer Gruppe zu sein oder immer als Letzter in eine Mannschaft gewählt zu werden. Denn gehänselt werden übergewichtige Kinder.

Die Politik hat die gewichtige Zielgruppe längst auch thematisch für sich entdeckt. Mit einem Fünf-Punkte-Aktionsplan will Bundes-Familienministerin Ursula von der Leyen den Nachwuchs auf Trab bringen und zu gesünderem Essen bewegen. Bis 2020 will die Regierung stetig steigendes Übergewicht bei Kindern stoppen. Kinder und Jugendliche sollen möglichst früh über gesündere Ernährung und Bewegung aufgeklärt werden.

Starkes Übergewicht und Fettleibigkeit erhöhen das Risiko für Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall. Mediziner warnen deshalb vor den Folgen dieser Entwicklung für das Gesundheitswesen. Die Kosten ernährungsbedingter Krankheiten werden auf mehr als 70 Milliarden Euro veranschlagt.

Ein Viertel der Grundschüler im Alter zwischen sechs und zehn Jahren gab in einer Befragung des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe an, nur höchstens einmal pro Woche im Freien zu spielen. Im Durchschnitt waren sie nur eine Stunde in Bewegung. Krankenkassen wie unter anderem die Barmer versuchen daher frühzeitig gegenzusteuern und bieten eine Reihe von Angeboten an.

Wie "Schwer in Bewegung": Zu dem Programm gehören auch Ernährungseinheiten mit den Eltern sowie psychologische Betreuung. "Dieser interdisziplinäre Ansatz ist bei übergewichtigen Kindern besonders wichtig", sagt Christine Graf von der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Übergewicht bei Kindern betrifft die ganze Familie, weil es für ein falsches Ess- und Bewegungsverhalten von allen spricht. "Je kleiner das Kind ist, desto wichtiger ist es, die Familie miteinzubeziehen." Das Gewicht und sämtliche Zivilisationskrankheiten hängen laut Graf mit dem sozioökonomischen Status zusammen.

Heißt: Kinder von Eltern mit geringer Bildung und schlechtem finanziellen Hintergrund haben ein größeres Risiko, übergewichtig zu werden. "Übergewicht ist immer eine Mischung aus Fehlern in der Ernährung, mangelnder Bewegung und klassischen Fehleinschätzungen", sagt die Fachfrau von der Sporthochschule.

Spielekonsolen mit Fitnessprogrammen verteufelt Graf nicht. "Die halten die Kinder in Bewegung", sagt sie. Die Kinder säßen heute ohnehin häufig am Rechner oder der Konsole, da könnten sie die Zeit auch für die Fitnessspiele nutzen: "Diese spielen eine große Rolle für Kinder, da sollte man den Zugangsweg auch nutzen."

Leon jedoch hat den Zugang zum realen Sport über den Kursus in Straelen gefunden. Wenn auch er zu Beginn der Stunden häufig auf der Bank sitzt und auf Angebote von Impekoven wartet. In der vergangenen Woche wollte er den Geräteraum leerräumen und aus allem, was darin ist, ein Haus bauen. Die acht Kinder der Gruppe machten mit. Leon ging freudestrahlend nach Hause und Petra Impekoven wusste wieder ganz genau, warum dieser Kursus so wichtig ist.

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