Analyse Stickoxid-Ausstoß vieler Diesel-Pkw höher als bei Lastwagen

Berlin · Eine neue Abgas-Studie der Organisation ICCT zeigt Überraschendes: Viele Diesel-Pkw stoßen mehr giftiges Stickoxid aus als Lastwagen oder Busse.

 Viele Diesel-Pkw stoßen mehr Stickoxid aus als Lastwagen

Viele Diesel-Pkw stoßen mehr Stickoxid aus als Lastwagen

Foto: dpa

Selbst in der modernsten Schadstoffklasse Euro 6 blasen viele Diesel-Pkw laut einer Analyse des Forscherverbunds ICCT mehr giftige Stickoxide (NOx) aus dem Auspuff als neue Lastwagen oder Busse. Wie die Umweltwissenschaftler berichteten, ergaben Daten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) sowie aus Finnland im Schnitt für Euro-6-Personenwagen mit Dieselmotor im realen Straßenbetrieb einen NOx-Ausstoß von 500 Milligramm pro gefahrenen Kilometer. Bei Nutzfahrzeugen waren es demgegenüber nur 210 Milligramm je Kilometer.

Der ICCT, der den Abgas-Skandal bei VW mit aufgedeckt hatte, sieht in den Ergebnissen einen weiteren Beleg dafür, dass Abgastests im Labor rasch durch Messungen im echten Verkehr ergänzt werden müssen. Solche RDE-Tests ("Real Driving Emissions") sollen in der EU ab September auch schrittweise kommen. Für den CO2-Ausstoß und Verbrauch ist das sogenannte WLTP-Verfahren mit realistischeren Bedingungen geplant.

Die Forscher betonten, dass bei einer besseren Vergleichbarkeit der Daten zwischen Pkw und Nutzfahrzeugen - mit Einschluss der höheren Lastanforderungen für Lkw und Busse - sogar noch größere Abweichungen entstünden. Dann lägen die NOx-Emissionen der betrachteten Diesel-Pkw "sogar um einen Faktor 10 höher als die vergleichbaren Werte für Nutzfahrzeuge", sagte ICCT-Studienautorin Rachel Muncrief. Bei Lastern und Bussen seien bereits seit 2013 mobile Messgeräte Pflicht - daher die gegenüber den oft präparierten Labor-Pkw besseren Daten.

Neue Messungen mit teils erheblichen Differenzen

ICCT-Europa-Chef Peter Mock kritisierte, dass manche Autobauer auch beim RDE-Verfahren weiter vorbereitete Prototypen einsetzen wollten. "Besser wäre es, stattdessen normale Serienfahrzeuge aus Kundenhand zu vermessen und stichprobenartige Nachkontrollen einzuführen." Die EU-Kommission wolle auf den Vorschlag eingehen. Im November hatte der ICCT zudem drastische Abweichungen zwischen offiziellen Katalog- und tatsächlichen Straßenwerten beim CO2-Ausstoß vieler Autos gemeldet.

Die Fachzeitschrift "auto motor und sport" berichtete unterdessen von neuen eigenen Stickoxid-Messungen, die teils erhebliche Differenzen im echten Fahrbetrieb zeigen. Dabei habe zum Beispiel das Renault-Diesel-Modell Captur dCi 110 mit mehr als 1300 Milligramm NOx pro Kilometer um das 16,7-fache über dem zulässigen Laborgrenzwert nach Euro-6-Norm gelegen. Erlaubt sind 80 Milligramm je Kilometer.

Hendricks fordert zusätzliche Abgasprüfungen für Pkw

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat angesichts der jüngsten Abgasstudie der Forscherorganisation ICCT eine zusätzliche Ausweitung der Abgastests in Deutschland gefordert. "Die Studie belegt erneut, wie wichtig es ist, Stickoxid-Emissionen auf der Straße zu messen und nicht im Labor", sagte Hendricks unserer Redaktion. Zwar werde es ab diesem Jahr endlich auch die Straßentests für Pkw geben, so Hendricks.

Sie betont jedoch: "Künftig müssen Nachkontrollen unabhängig von den Herstellern durchgeführt werden, und zwar anhand von zufällig ausgewählten Serienfahrzeugen. Dann ergeben Tricksereien der Hersteller keinen Sinn mehr", sagte Hendricks. Man könne sich nicht länger auf Tests verlassen, die die Hersteller selbst mit speziell präparierten Fahrzeugen vornehmen. Als Beispiel nannte sie die Straßenmessungen, die es bei Lkw schon länger gebe. "Da sind die Emissionen deutlich zurückgegangen", sagte die Umweltministerin.

(crwo/dpa)
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