Literatur „Mit geht es um den Kinomoment“

Düsseldorf · Der erfolgreichste Düsseldorfer Krimiautor schreibt seit nunmehr 25 Jahren und erinnert sich an die literarischen Anfänge. Sein neuer Roman,“Im Namen der Lüge“ stieg gleich auf Platz 9 der Krimi-Bestsellerliste ein.

 Krimiautor Horst Eckert an der Kö.  Foto: Werner Gabriel

Krimiautor Horst Eckert an der Kö. Foto: Werner Gabriel

Foto: Gabriel, Werner (wga)/Gabriel, Werner

Ob ich mir vorstellen könne, etwas anderes zu schreiben als Krimis oder Thriller, werde ich auch nach einem Vierteljahrhundert manchmal gefragt. Als setze das Genre Grenzen, die man durchbrechen müsse. Das Gegenteil ist der Fall. Kriminalliteratur kann alles erzählen, was Literatur erzählen kann. Und das auf eine Art, die uns packt und unter die Haut geht. Weil ich trotzdem als Leser nicht immer zufrieden war, wurde ich zum Autor. Natürlich schwingt immer auch Größenwahn mit, wenn jemand diesen Schritt tut. Ich versuchte es einfach, schrieb das Buch, das ich gern lesen wollte – und hatte einen Heidenspaß dabei.

Als mein Debüt „Annas Erbe“ erschien, sagte ich zu Journalisten: „Ich will nur unterhalten“ oder: „Mir sind drei Dinge wichtig: Spannung, Spannung, Spannung“ – was das Gleiche ist. Der Grund waren damalige Soziokrimis, in denen mir Autoren eine Haltung aufdrängen wollten, die mir entweder fremd oder ohnehin schon eigen war. Die mich also ärgerten oder langweilten. Langeweile und Ärgernis sind so ziemlich das Letzte, womit ein Autor seine Leserschaft behelligen soll.

Natürlich war mir schon damals klar, dass es einen unpolitischen Roman gar nicht gibt. Worte verhalten sich zur Wirklichkeit, Figuren und Plot erst recht. Die Erzählung eines Mordfalls wirft ein Licht in die Abgründe des Menschen und der Gesellschaft. Und schon wird es interessant. Möge niemand darauf hereinfallen, wenn ein Buch so tut, als wolle es „nur unterhalten“. Es heißt oft, im typischen Krimi schnappt der gute Kommissar den bösen Unhold und bringt die Welt wieder in Ordnung. Mit diesem Schema kann ich nichts anfangen. Wer solche Märchen erzählt, liefert trotzdem ein politisches Statement ab, wenn auch kein ehrliches. Denn die Welt war vor dem Delikt nicht in Ordnung, und sie ist es auch hinterher nicht. Das Schreiben eines Kriminalromans ist ein Nachdenken über unser Miteinander, das oft ein Gegeneinander ist. In „Annas Erbe“ ging es um Immobilienhaie, um geschäftstüchtige Politiker und korrupte Polizisten. Von dort zum Politthriller war es nur ein kleiner Schritt.

Trotzdem geht es mir zuallererst um Spannung, Spannung, Spannung – ich habe damals nicht gelogen. Das Politische fügt eine weitere Dimension hinzu und steigert die Spannung. Wir spüren beim Lesen, dass unser Hier und Jetzt gemeint ist. Die Geschichte geht uns etwas an; früher nannte man das Relevanz.

Natürlich bleibt der Roman ein Fantasieprodukt. Schriftstellerinnen und Schriftsteller lügen. Wahrhaftig werden ihre Werke, indem wir beim Lesen spüren: So könnte es geschehen. Dazu gehört ein gewisses Maß an Recherche. Die Details sollten authentisch sein, die Figuren glaubwürdig. Ihre Handlungen überraschend, aber plausibel.

Und der Ort sollte stimmen. Fast jeder Krimi erdet seinen Plot, indem er ihn in einer bestimmten Region ansiedelt. In meinem Debüt vermied ich den Namen Düsseldorf noch. Aber dann fand ich das albern, auch wenn die Kriminalstatistik der Landeshauptstadt ein paar Morde weniger ausweist als meine Bücher. Ich benenne Stadtteile und Straßen und weiß, dass es Leserinnen gibt, die sich besonders amüsieren, wenn ihr Viertel vorkommt. Bei einer Lesung berichtete mir ein Mann aus Stockum sogar freudestrahlend, dass die Adresse, an der ich eine halbe Familie dahingemetzelt hatte, seine sei. Seitdem verzichte ich selbst in Funksprüchen der Polizei auf die Nennung von Hausnummern.

Schreibe ich Düsseldorf-Krimis? Ich greife mal ins oberste Regalfach und frage zurück: Ist Thomas Manns „Buddenbrooks“ ein Lübeck-Roman? Ja, aber noch viel mehr als das. Die Stadt ist wichtig, aber nicht der Grund, warum ich schreibe und warum auch mein nächstes Buch ein Krimi oder Thriller sein wird. Vielmehr geht es mir um dies: den Kinomoment.

Wir kennen ihn von guten Filmen. Wenn wir das Kino verlassen und ganz aufgewühlt sind. Ein gelungener Krimi regt ebenso zum Nachdenken an. Er hat etwas entzündet oder ein Fenster aufgestoßen. Nicht der belehrende Zeigefinger des Autors hat das bewirkt. Sondern die Figuren, ihre Motive und die Folgen ihres Tuns.

Friedrich Schiller hat es 1796 im Vorwort zu „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“ sinngemäß so ausgedrückt: Wer etwas über die Psyche des Menschen und die Moral der Gesellschaft erfahren möchte, der schaue am besten in Kriminalakten, Gerichtshöfen und Gefängnissen nach. Und in Konzernzentralen und Staatskanzleien, wo Verbrechen als Geschäft oder Politik firmieren und nur selten geahndet werden – so möchte ich für unser Jahrhundert ergänzen.

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