Spielberg: "Ich lebe mit Pferden"

Interview mit Hollywood-Regisseur Steven Spielberg über seine neue Produktion "Gefährten", die nun anläuft, über die Beziehung zu seinem Vater und die Kunst, zwei Filme wie "Schindlers Liste" und "Jurassic Park" zur selben Zeit zu produzieren.

Steven Spielberg hat das Kino der letzten vier Jahrzehnte mit seinen Ideen geprägt. Ein begnadeter Geschichtenerzähler, der Träume und Visionen, Horror und Fantasie umsetzen kann und Milliarden von Kinogängern berührt. Jetzt bringt der zweifache Oscargewinner mit "Gefährten" eine ungewöhnliche Geschichte auf die Kinoleinwand: die eines Pferdes im Ersten Weltkrieg. Der Familienfilm wurde sechs Mal für den Oscar nominiert. Wir trafen den 65-Jährigen in London.

Mr. Spielberg, der Hauptdarsteller Ihres Familienfilms "Gefährten" ist ein Pferd, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird. Wie kam es dazu?

Steven Spielberg Ich habe mich in das Buch von Michael Morpurgo verliebt, das von der Liebe zwischen einem Bauernjungen und seinem Pferd in den Wirren des Ersten Weltkriegs berichtet. Erzählt wird die Story aus der Perspektive des Pferdes Joey, was ich originell fand. Aber die heftigste Herausforderung war nicht, dass der Protagonist ein Pferd ist, sondern dass er nicht mal spricht.

Wie führt man dann Regie über ein Pferd?

Spielberg Man kann schlecht sagen, es soll mal traurig gucken. Interessanterweise kann es das aber, über die Ohren. Sind die Ohren aufmerksam, aufgerichtet, nach hinten gelegt, nach vorne? Auch Augen, Nüstern und Körperhaltung drücken ihre Stimmung aus — Pferde haben eine so ausdrucksvolle Körpersprache. Wir hatten tolle Trainer, die sie zielgenau alles machen ließen, was wir brauchten — ohne dass sie dafür das Pferd auch nur berühren müssen. Echte Pferdeflüsterer.

Haben Sie selbst einen engen persönlichen Bezug zu Pferden?

Spielberg Meine 14-jährige Tochter ist Springreiterin. Meine Frau reitet seit 17 Jahren Dressur. Wir leben mit Pferden. Wir haben zehn Ställe auf unserem Grund, plus Dressurplatz. Jeden Morgen wache ich mit dem Geruch von Pferden in der Nase auf und schaue auf Koppeln. Ich reinige die Ställe, die Kinder misten aus, nur reiten tue ich nicht.

Sagen Sie bloß, Pferde machen Ihnen Angst?

Spielberg Ich bin als Kind abgeworfen worden, seitdem ist mir das Reiten suspekt. Ich beobachte lieber.

Den deutschen Zuschauern begegnen im Film zwei bekannte Gesichter: David Kross und Maximilian Brückner. Wie wurden Sie auf die beiden aufmerksam?

Spielberg Mir hat "Das weiße Band" mit Maximilian sehr gut gefallen, und David in "Der Vorleser". Ich sehe viele ausländische Filme, und wenn mir ein Schauspieler auffällt, notiere ich mir seinen Namen.

Welche Qualitäten haben Sie in den jungen Deutschen gesehen?

Spielberg Beide scheinen der Welt gegenüber offen zu sein — vom Herzen her. Ich sah in ihnen diesen melancholischen Optimismus, der größter Unruhe und der Allgegenwart des Todes trotzt.

Mit acht schenkte Ihnen Ihr Vater eine Super-8-Kamera. Mit 13 gewannen Sie mit dem Kriegsfilm "Escape to Nowhere" ein Festival. Nun sind Sie 65, aber Ihre Faszination für Filme ist nicht versiegt. Woher kommt das?

Spielberg Das habe ich von meinem Vater. Er hat mich 1951 zu meinem ersten Film mitgenommen, "The Greatest Show on Earth", da war ich fünf. Das war eine traumatische Erfahrung, denn der Film war ein gigantisches Spektakel, mit einem Zugunglück, Zirkus und Tieren.

In vielen Ihrer Filme haben die Figuren aber eine sehr schwierige Beziehung zum Vater.

Spielberg Das ist richtig. Mein Vater ist für viele meiner Macken verantwortlich, für meine "G'schtalt", wie wir auf Jiddisch sagen. Wir waren lange entzweit, haben uns aber vor 20 Jahren versöhnt. Als ich einen der bewegendsten Momente meines Lebens erlebte, den Oscar für "Private Ryan", habe ich ihm den Preis gewidmet.

Lebt er noch?

Spielberg Er ist 94, erfreut sich bester Gesundheit. Wir stehen uns nah.

Wurden Sie vielleicht aufgrund des getrübten Verhältnisses zu Ihrem Vater selbst erst relativ spät, mit knapp 40, Vater?

Spielberg "E.T." hat mich überhaupt erst dazu gebracht, Vater werden zu wollen. Die Film-Kinder waren mir beim Dreh so ans Herz gewachsen, besonders Drew Barrymore, dass mich der Abschied von ihnen eine Woche krank vor Kummer machte. Heute habe ich sieben Kinder.

Zwischen "Jurassic Park" und "Schindlers Liste" scheinen Welten zu liegen. Dabei entstanden sie im selben Jahr. Unterscheiden Sie zwischen "Unterhaltung" und "Kultur", oder ist es für Sie wichtig, in jedem Fall die Kombination von Unterhaltung als auch Aufklärung anzubieten?

Spielberg Unterhaltung ist immer eine subjektive Angelegenheit. Was manche unterhaltsam finden, finden die nächsten didaktisch und belehrend. Darum kümmere ich mich also nicht. Einige Filme benötigen den leidenschaftlich-akkuraten Historiker in mir, andere benötigen den Mann, der in Fabelwesen vernarrt ist. Ich konnte es immer gut trennen.

(RP/top/rm)
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