Düsseldorf Dürftiger Schenkel-Krimi

Düsseldorf · Es war die Geburt eines neuen Schriftstellertypus, als 2006 Andrea Maria Schenkel urplötzlich als Bestsellerautorin auf dem Markt deutscher Dichtkunst auftauchte. Denn der düstere und bis heute über eine Million Mal verkaufte Krimi "Tannöd" stammte von einer Autorin ohne explizite literarische Bildung. Das, was die Leser begeisterte und nach dem sensationellen Bucherfolg auch noch für eine Theater- und Kinoadaption geeignet schien, kam als Werk eines Naturtalents daher. Hausfrau wird Bestsellerautorin, so lautete das schlagzeilenträchtige Phänomen.

Seither sind "Kalteis" und "Bunker" erschienen, zwei ordentliche Nachfolgeromane, und insgesamt sechs Jahre ins Land gegangen – bis zur Ankündigung eines neuen Schenkel-Romans, der nun nicht mehr unter dem Dach des kleinen Nautilus-Verlags erscheint, sondern von Hoffmann und Campe publiziert wird. Aber "Finsterau" – so der Titel – ist nur ein bedrückend schwaches "Tannöd"-Duplikat, sprachlich mut- und über weite Strecken ratlos.

Schenkel hat dabei zu dem gegriffen, was ihr liegt: zum Mord im Dorf, zur mysteriösen Bluttat in der Bauernstube, zur Zerstörung eines ländlichen Idylls. Die in Bayern lebende Autorin hat den Heimatroman im Horrorformat erfunden. Und wie schon bei "Tannöd" versucht Schenkel auch jetzt unseren Schauder dadurch zu erhöhen, dass sie von einem sogenannten wahren und bis heute nicht aufgeklärten Mordfall ausgeht. Diesmal war es bloß eine kleine Zeitungsmeldung, die die Fantasie der Autorin in Wallung brachte, da ihr das Archiv zur literarischen Ausbeutung verschlossen blieb; denn das bäuerliche Morden trug sich erst 1947 zu, und da unterliegen die Polizeiakten noch einer Sperrfrist.

Und das hat Schenkel dann aus der Zeitungsnotiz gemacht: Afra, die Tochter des Johann Zauner und seiner Frau Theres, wird im Häuschen der Familie erschlagen aufgefunden. Ihr kleiner Sohn ist gleichfalls furchtbar zugerichtet und wird kurz darauf im Hospital sterben. Wer ist der Schlächter? Der Johann Zauner selbst, ein gottesfürchtiger Mann, der aber eine Stinkwut auf seine Tochter mit ihrem unehelichen Balg hatte? Oder der hinkende Hetsch, der Afra wiederholt nachstellte und am besagten Tage auf dem Hof gesehen worden war? Vielleicht auch die beiden Wanderburschen, die sich zu dieser Zeit im Dorf herumtrieben? Die Polizei ist schnell bei der Sache, der schweigsame, verstockte, einfältige Zauner wird verurteilt, arretiert und hernach in eine Irrenanstalt verbracht. Doch wir ahnen, dass das nicht des Rätsels Lösung sein kann. Und so kommt eins zum anderen, dargeboten aus verschiedenen Perspektiven und zitiert aus Protokollen; es ist das Verfahren, das Schenkel stets anwendet.

Diesmal aber bleibt alles langatmig, umständlich erzählt, leblos. Die Figuren sind Schablonen, die Landschaft ist nur Kulisse, die Sprache der Dörfler eine literarische Masche. Nichts weist in diesem Buch auch nur einen Deut über das Erzählte hinaus. Trotz seiner lediglich 125 großzügig gesetzten Seiten wirkt es aufgebauscht.

Und dass am Ende der alte Mordfall nach vielen Jahren simpel aufgeklärt und der Täter verhaftet wird, nimmt dem Buch auch noch das letzte Geheimnis. Das Einzige, was an diesem Roman erschrecken kann, ist seine Belanglosigkeit.

Info Andrea Maria Schenkel: "Finsterau". Hoffmann und Campe, 125 S., 16,99 Euro

(RP)
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