Buch-Kritik David Gilbert: Die Normalen

Dass in einem gesunden Körper, auch ein gesunder Geist wohnt, muss nicht immer stimmen. Der 28-jährige Harvard-Absolvent Billy Schine ist zwar körperlich kerngesund, dafür jedoch emotional schwer angeschlagen. David Gilberts Debütroman "Die Normalen" erzählt die Geschichte eines Mannes, dessen Gleichmut sein größtes Manko ist.

 "Die Normalen" von David Gilbert.

"Die Normalen" von David Gilbert.

Foto: Eichborn Verlag

Billy ist ein Mensch ohne jeglichen Tatendrang: Seinen Lebensunterhalt bestreitet er mit Aushilfsjobs für eine New Yorker Zeitarbeitsfirma, seinen sexuellen Trieb befriedigt er mit der emotionslosen Sally. Ehrgeiz beweist er einzig darin, seine körperliche Verfassung beständig zu kontrollieren. Im gleichen Maße, wie er lebensbedrohliche oder absurde Krankheiten fürchtet, sehnt er sich nach dem Status eines Dahinsiechenden.

Da er organisch gesund und in ernsthaften finanziellen Nöten ist - ein brutaler Geldeintreiber fordert die Rückzahlung seines Studiendarlehens - stellt er sich für eine Medikamentenstudie zur Verfügung. Zwei Wochen quartiert er sich gegen gute Bezahlung in einer Klinik der Hargrove Anderson Medical ein, wo das Pharmaunternehmen an einer Gruppe von Versuchspersonen ein Mittel gegen Schizophrenie testet.

Konfrontation mit der Vergangenheit

Allerhand skurrile Gestalten treffen hier aufeinander und keiner vermag zu beurteilen, ob die Auswüchse und seltsamen Begebenheiten in dem abgeschotteten Medizinlabor Nebenwirkungen der Medikamente sind oder ob unter der strikten Versuchsanordnung lediglich die dunkleren Seiten der Menschen ans Tageslicht kommen.

Billy plagen vornehmlich Erinnerungen an seine lieblose Kindheit. Als sein Vater in der Klinik Kontakt zu ihm aufnimmt, um ihm einen letzten Gefallen abzuverlangen, weiß selbst Billy nicht, ob es mutig oder feige ist, dass er sich seiner Vergangenheit nicht stellt.

Gilbert erzählt diese nicht selten aberwitzige Geschichte mit der richtigen Mischung aus Komik und Ernsthaftigkeit, durchsetzt mit Slapstickelementen und philosophischen Randbemerkungen. Mit seiner latenten Kritik an Medikamentenkonsum und Pharmaindustrie, Leistungsdruck und zwischenmenschlichen Beziehungen bekommt der unterhaltsame Roman sogar eine gesellschaftskritische Komponente. Dabei überzeugt Gilbert mit seiner Originalität, mit vielen wunderschönen Szenen und einer sich trotz manch trostloser Sequenz konsequent haltenden positiven Grundrichtung.

(ap)
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