Euro-Krise Die Fehler der Kanzlerin

Berlin (RP) Angela Merkel hat in den 18 Monaten seit dem Ausbruch der griechischen Schuldenkrise Kehrtwende über Kehrtwende vollzogen. Kritiker auch aus den eigenen Reihen werfen ihr Orientierungslosigkeit und Führungsschwäche vor – der SPD bietet sie damit eine willkommene Angriffsfläche.

Die Chronik der Eurokrise
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Foto: ddp

Berlin (RP) Angela Merkel hat in den 18 Monaten seit dem Ausbruch der griechischen Schuldenkrise Kehrtwende über Kehrtwende vollzogen. Kritiker auch aus den eigenen Reihen werfen ihr Orientierungslosigkeit und Führungsschwäche vor — der SPD bietet sie damit eine willkommene Angriffsfläche.

Es ist die größte Krise der europäischen Gemeinschaftswährung, vielleicht sogar der Europäischen Union — doch Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, bleibt seltsam nebulös, wenn es um Auswege aus dieser Jahrhundertkrise geht. Im ARD-Sommerinterview antwortete sie am Sonntagabend auf die Frage, ob sie für eine Umschuldung Griechenlands sei: "Ich arbeite nicht darauf hin."

Merkel lässt also offen, ob es zur Umschuldung des heillos überschuldeten Euro-Mitglieds kommen wird — dabei fordern dies fast alle namhaften Ökonomen und zunehmend auch Politiker. Führung, so meinen Merkels Kritiker, sieht anders aus.

Die Regierungschefin des größten Landes der Euro-Zone müsse endlich mutige, entschiedene Schritte gehen, der "Zwang zum Handeln" sei gekommen, meint nicht nur SPD-Chef Sigmar Gabriel. Orientierungslosigkeit in der Euro-Krise werfen ihr mittlerweile auch einflussreiche Wirtschaftskreise der CDU/CSU vor. In einer Umfrage unter Topmanagern und Spitzenpolitikern hieß es jüngst, 58 Prozent der Befragten hielten Merkel für eine "schwache Kanzlerin".

Die Chronik der Fehler und Kehrtwenden der Kanzlerin in dieser Krise ist lang. Im Oktober 2009 erklärt die griechische Regierung, dass ihre Schulden wesentlich höher seien als bekannt. Die Zinsen, die Griechenland für seine Anleihen bezahlen muss, steigen daraufhin so sehr an, dass Athen die EU um Hilfe bittet.

Doch Merkel verzögert über Wochen eine EU-Entscheidung über Hilfen für Griechenland, um dieses Thema aus dem Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen herauszuhalten. Noch am 22. März 2010 erklärt sie: "Ich glaube nicht, dass Griechenland im Moment Geld braucht." Doch nur sechs Wochen später, am 2. Mai, beschließt die EU das erste 110 Milliarden Euro schwere Hilfspaket für Athen.

Ihr Zögern habe die Nervosität an den Märkten geschürt und die Zinsen Griechenlands weiter steigen lassen, monieren Kritiker. Merkels wahrscheinlicher Kontrahent im Bundestagswahlkampf 2013, Peer Steinbrück, wirft ihr überdies vor, nicht schon damals eine mutige Antwort gegeben zu haben — ähnlich der Patronatserklärung, die Merkel und Steinbrück auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Herbst 2008 für deutsche Spareinlagen abgegeben hatten. Merkel und andere EU-Größen hätten die Anleihen jedes Euro-Mitglieds schlicht garantieren müssen, sagt Steinbrück.

Im April 2010 fordert Jean-Claude Trichet, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), die EU-Staaten sollten die Hilfskredite zum selben Zins an Griechenland weiterreichen, den sie selbst zahlen. Die Bundesregierung besteht dagegen darauf, dass Athen Marktzinsen zahlen muss, denn niedrigere Zinsen bedeuteten eine Subvention. Am Ende muss die Bundesregierung nachgeben, die Zinsen für Griechenland werden gesenkt.

Zentrales Anliegen der Kanzlerin wird später die Beteiligung privater Gläubiger an den Krisenkosten — allerdings nicht aus ökonomischen, sondern aus politischen Gründen. Im Juni fordert die Bundesregierung einen "messbaren und substanziellen Beitrag" der Banken.

Doch die Aussicht auf Verluste lässt die Refinanzierungskosten für Südeuropa in die Höhe schnellen, die Krise verschärft sich. Die EZB warnt davor, die Gläubigerbeteiligung zu erzwingen, der Zahlungsausfall eines Landes könne die gesamte Euro-Zone ins Wanken bringen.

Am Ende wird Merkel aber wohl bekommen, was sie wollte: Die Banken werden beteiligt — allerdings über den Weg der Umschuldung Athens, auf die Merkel erklärtermaßen "nicht hinarbeitet".

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