Ulm Bank muss Drogerie-König Millionen zahlen

Ulm · Erwin Müller war schon als Friseur ein Rebell, später gründete er eine der ersten Drogerie-Ketten. Nun setzte er als Anleger vor Gericht eine hohe Entschädigung durch: Die Schweizer Bank Sarasin habe ihn falsch beraten, so das Gericht.

Für jemanden, dessen Vermögen auf mehr als zwei Milliarden Euro geschätzt wird, sind 45 Millionen Euro ein überschaubarer Betrag. Gerade mal 2,25 Prozent vom Ganzen. Und Erwin Müller, der Mann von dem wir hier reden, musste dafür, dass ihm das Landgericht Ulm diesen Betrag zusprach, nicht einmal vor Gericht erscheinen. Müller, der einst als Friseur begann und heute eine der größten Drogeriemarktketten in Deutschland betreibt, hat die Schweizer Bank J. Safra Sarasin, wie sir seit einigen Jahren heißt, erfolgreich auf Schadenersatz verklagt, weil sie ihn falsch beraten hat.

Der Fall gewinnt nicht nur durch die prominente Persönlichkeit des Klägers an Brisanz, sondern auch durch das Thema. Es geht mal wieder um die berühmt-berüchtigten Cum-ex-Geschäfte, jene Deals, die vor Jahren rund um den Dividendenstichtag von Aktien abliefen und bei denen sich mehrere Mitspieler Steuern erstatten ließen, obwohl nur einer Steuern gezahlt hatte. Dieser Praxis hat der Gesetzgeber mittlerweile einen Riegel vorgeschoben. Beteiligte Banken stehen aber immer noch im Dauerverdacht, manche von ihnen ist schon durchsucht worden, es drohen empfindliche Strafen, andere haben Millionenbeträge gezahlt, freilich ohne irgendein Schuldeingeständnis.

Wer auch immer verantwortlich war bei diesen Deals: Manche Anleger haben dabei viel Geld verloren, ob man sie nun als mitschuldig sieht an dem Bankgebaren oder nicht. Einer von ihnen ist Erwin Müller. Der 84-Jährige war vor fast einem halben Jahrhundert einer, der die Republik spaltete. Er öffnete seinen Friseurladen entgegen den geltenden Statuten montags. Für die einen war er ein Held, der die Konkurrenz aufmischte, für die anderen der Nestbeschmutzer, der den Branchenfrieden nachhaltig störte. Daraufhin wurde er aus der Innung geworfen, erregte aber viel öffentliche Aufmerksamkeit. Er heuerte beim Verbrauchermarkt-Betreiber Hugo Mann (Wertkauf) an und betrieb dort den Friseursalon einschließlich Drogeriemarkt- und Parfümbereich. Das war der Startschuss für eine Karriere, die ihn zum Milliardär machte und sein Unternehmen in die Spitzengruppe der Drogeriemärkte katapultierte.

Einmal ganz oben angekommen, ist Müller einer geworden wie die Aldi-Albrechts oder sein einstiger Rivale Anton Schlecker - steinreich und öffentlichkeitsscheu, der eine mehr, der andere weniger. Auch Müller, dem auf der einen Seite Herrschsucht und Kontrollwahn nachgesagt werden, in dessen Unternehmen angeblich ein "Klima der Angst" herrschte, der aber auf der anderen Seite als großzügiger Wohltäter und Philantrop gepriesen wird. Und weil Herr Müller so ungern publik ist, war er gestern, als die Kammer ihr Urteil verkündete, auch nicht im Gerichtssaal. Anderseits war auch die beklagte Bank "nur" durch ihre Anwälte vertreten. In Zivilprozessen herrscht in Deutschland eben keine Anwesenheitspflicht.

Ob Müller die Geschäfte, die die Sarasin-Bank mit seinem Geld machen wollte, nicht durchschaut hat, bleibt unklar. Auf jeden Fall gaben Aussagen von Gutachtern der Wirtschaftskanzlei Freshfields, die Müller als "äußerst erfahrenen Investor" bezeichnet hatten und ihn willens nannten, "beträchtliche Risiken einzugehen und in unorthodoxe Investments einzusteigen", nicht den Ausschlag für die Entscheidung. Die Bank habe ihren Kunden nicht ausreichend über das Verlustrisiko der Fonds und über die Provisionsregeln aufgeklärt, in die Müller investiert habe, heißt es in dem Urteil (Aktenzeichen: 4 O 66/13), gegen das die Bank noch Berufung einlegen kann.

Offensichtlich galt Cum-Ex dem Institut nicht als Anleger-Risiko - bis die deutschen Finanzbehörden die Erstattung der Kapitalertragsteuer blockierten. Da hatte Müller aber gerade noch mal zig Millionen in Fonds gesteckt, die Sarasin angeboten hatte. Nur, dass diesmal für ihn nichts mehr heraussprang.

(RP)
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