Düsseldorf Der Gemischtwarenladen

Düsseldorf · Wegen der niedrigen Zinsen sind Versicherungskonzerne wie die Allianz bei der Kapitalanlage zunehmend auf Direktinvestitionen angewiesen, um die Verträge ihrer Kunden bedienen zu können.

Was haben ein Abwasserkanal in der britischen Hauptstadt, ein Schweizer Snack- und Kaffee-Automat sowie eine Parkuhr in der Chicagoer Innenstadt gemeinsam? Sie alle leisten einen Beitrag zum Ergebnis des weltweit größten Versicherungskonzerns Allianz. Denn in Zeiten niedriger Zinsen ist das Geschäft mit Direktinvestitionen für den Versicherer noch einmal deutlich attraktiver geworden.

Bei der Allianz ist dafür die Tochtergesellschaft Allianz Capital Partners zuständig. 1998 gegründet, ist die Gesellschaft inzwischen mit Büros in München, London, New York und Singapur vertreten. Die rund 100 Beschäftigten verfügen über Mittel in Höhe von zwölf Milliarden Euro. Damit kauften sie sich in der Vergangenheit in britische Eisenbahnunternehmen ein, finanzierten ihre - inzwischen wieder veräußerte - Beteiligung an der Reederei Scandlines und richteten den Fokus in den vergangenen Jahren immer stärker auf die erneuerbaren Energien aus. In dieser Woche stieg die Allianz zudem gemeinsam mit dem Konkurrenten Münchener Rück sowie Investoren aus Abu Dhabi und Kanada bei Tank & Rast ein, dem Betreiber von rund 400 deutschen Autobahnraststätten.

Auslöser für die rege Investitionstätigkeit der Münchener ist nicht zuletzt die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die wirkt zwar auf die Realwirtschaft wie ein Konjunkturprogramm: Dank der Nullzinsen wird Geld in den Markt gepumpt, Kredite vergünstigen sich und machen Investitionen attraktiv. Für Versicherer, die ihren Zahlungsverpflichtungen etwa aus Lebensversicherungen nachkommen müssen, entwickelt sich die Situation jedoch zunehmend zum Problem. Und es sieht nicht so aus, als handele es sich um ein vorübergehendes Phänomen: "Wir stellen uns auf einen langen Zeitraum niedriger Zinsen ein", sagte Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte gestern bei der Vorstellung der Zahlen für das zweite Quartal.

Nach Experteneinschätzung haben die meisten Versicherungskonzerne bei ihren Kapitalanlagen in den zurückliegenden Monaten drei Anpassungsphasen durchlaufen: "Die Versicherer sind von sicheren Staatsanleihen stärker auf risikoreichere Unternehmensanleihen umgestiegen", erklärt Frank Kopfinger, Analyst bei der Commerzbank. "Innerhalb der verbliebenen Staatsanleihen wurde ebenfalls umgeschichtet - von den sicheren, aber niedrig verzinsten Anleihen hin zu höher verzinslichen Anleihen wie teilweise aufstrebende Märkte oder auch US-Anleihen. Die dritte Phase betraf dann die Verlängerung der Laufzeiten der Investments."

Und es blieb die Möglichkeit, stärker auf Direktinvestitionen zu setzen. "Zusammen mit der stärkeren Fokussierung auf Immobilien sind diese alternativen Investments in der Branche attraktiv - spielen aber vom Volumen her eine noch eher untergeordnete Rolle", sagt Analyst Kopfinger. Der Sektor habe das Problem, dass es Infrastrukturprojekte auch nicht wie Sand am Meer gebe. "Allerdings wird der Druck auf die öffentliche Hand in Zukunft steigen, stärker private Investoren mit ins Boot zu holen", sagt der Experte.

Für die Versicherer haben die alternativen Investments zudem einen positiven Nebeneffekt: "Wenn im kommenden Jahr die strengeren Regeln des ,Solvency II' gelten, steigen die Anforderungen an die Kapitalanlagen. Dann wird es honoriert, wenn Versicherer die Laufzeit ihrer Vertragsverbindlichkeiten und ihrer Investitionen anpassen", erklärt Kopfinger. Das gehe besser mit alternativen Investments, da diese längere Laufzeiten bieten als am Markt verfügbare Anleihen. Zudem werde bei "Solvency II" eine breite Streuung des Portfolios positiv berücksichtigt.

Die Unternehmensstrategie macht sich übrigens für die Allianz bezahlt. Neben der explizit von Finanzvorstand Dietmar Wemmer genannten Investitionen waren es vor allem aber geringere Schäden und der Verkauf der US-Tochter Fireman's Fund, der der Allianz einen kräftigen Gewinnschub bescherte. Vorstandschef Bäte hob gestern die Prognose an: Mit einem Betriebsergebnis von 10,8 Milliarden Euro dürfte die Allianz ihr Ergebnis aus dem Vorjahr von 10,4 Milliarden Euro übertreffen, sagte Bäte. Die kommenden Monate dürften für die Allianz spannend werden. Der seit Mai amtierende Chef hat dem Konzern ein massives Umbauprogramm verordnet.

(RP)
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