25 Jahre nach dem Tod von Ulrike Maier Das Risiko fährt auf der Piste immer mit

Kitzbühel · Die Abfahrt in Kitzbühel verzeichnet den nächsten schweren Sturz. Sicherheit im Skizirkus ist ein großes Thema – spätestens seit der Tragödie um Ulrike Maier vor 25 Jahren.

 Alexander Köll wird nach seinem Sturz per Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht.

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Foto: dpa/Hans Klaus Techt

Auch diesmal forderte die Streif wieder Tribut von einem, der sie zu bezwingen suchte. Der Schwede Alexander Köll, mit der hohen Startnummer 45 in die legendäre Abfahrt von Kitzbühel gegangen, stürzte beim Zielsprung schwer, blieb zunächst liegen und musste mit dem Helikopter ausgeflogen werden. Wieder hielten Zuschauer vor Ort und vor dem Fernseher den Atem an. Es sind Momente wie dieser, Unfälle wie dieser, die der alpine Skizirkus so fürchtet. Weil sie ihm schmerzhaft vor Augen führen, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Genau 25 Jahre ist es am kommenden Dienstag her, dass diese Erkenntnis den Sport wie ein Dampfhammer traf. Die Österreicherin Ulrike Maier verunglückte damals in Garmisch-Partenkirchen tödlich. Vor laufenden TV-Kameras. Zum Entsetzen der gesamten Wintersportwelt. „Damals hat man gesagt: Ihr könnt bauen, was ihr wollt, solche Unfälle passieren weiter“, sagt der einstige FIS-Renndirektor Günter Hujara der Deutschen Presse-Agentur. Für seinen Drang, den Sport sicherer zu machen, wurde der Schwarzwälder oft kritisiert. „Aber nach 25 Jahren kann man sagen, dass sich sehr viel getan hat.“

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Foto: REUTERS/LEONHARD FOEGER

Fakt ist: Das Thema Sicherheit ist spätestens seit Ulrike Maiers Tod ein allgegenwärtiges im Skirennsport geworden. „Man kann in punkto Sicherheit sehr viel tun, und es wird auch sehr viel getan, aber eine hundertprozentige Sicherheit wird es in den Speeddisziplinen nie geben können, denn es sind am Ende immer Menschen am Werk“, sagt Raph Eder, Sprecher des Deutschen Skiverbandes (DSV).

Beispiel Kitzbühel: Wo früher Holzzäune und Strohballen die einzigen Streckenbegrenzungen waren, sind heute Sicherheitsnetze fest im Boden verankert. Wo Sportler früher bei schlechter Sicht oft vergeblich die Linie suchten, sind heute blaue Markierungen in den Schnee gesprüht. Wo sich Rennfahrer einst mit einem Helm als einzigem Schutz den Berg hinunter stürzten, werden heute Protektoren und Airbags getragen. „Allen Beteiligten liegt die Sicherheit am Herzen, gerade auch die Athleten sind eingebunden. So besichtigt heute immer ein Athletenvertreter zusammen mit der Jury den Kurs“, sagt Eder.

Doch der Weg zu mehr Sicherheit ist oft auch ein zäher. Veranstalter fürchteten, das Spektakel würde leiden, wenn gefährliche Streckenteile entschärft werden. TV-Anstalten schimpften, dass Sicherheitsnetze das Bild störten. Und teuer waren die Umbauten und Investitionen auch. Oft setzte ein Umdenken erst nach Unglücken ein. Die blaue Farbe zur Orientierung wurde 2001 eingeführt, nachdem Silvano Beltrametti in Val d‘Isère von der Strecke abgekommen war, ein Netz zerschnitt und in den Wald stürzte. Der Schweizer ist seitdem querschnittsgelähmt, die Standards für Netze wurden überarbeitet. Weil der Österreicher Hans Grugger 2011 in der Kitzbüheler Mausefalle stürzte und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt, wurden bessere Helme entwickelt.

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Foto: dpa/Helmut Fohringer

„Wir befinden uns leider nicht in der Formel 1 und können Carbon-Chassis einsetzen, wir haben nur den Körper als Knautschzone“, sagt Eder. 2017 wurde diese Erkenntnis wieder einmal bittere Realität, als der 17-jährige Max Burkhart nach einem Sturz bei einer Abfahrt in Lake Louise/Kanada starb. Im selben Jahr verunglückte der Franzose David Poisson im kanadischen Nakiska im Training tödlich. Und sieben Jahre nach Maiers Tod erstarrte die Skisportwelt, als die französische Weltmeisterin Régine Cavagnoud bei der Abfahrt am Pitztaler Gletscher mit dem deutschen Trainer Markus Anwander kollidierte und später im Krankenhaus starb. „Die Phrase von der ,Verkettung unglücklicher Umstände’ kommt manchem sicher überstrapaziert vor, aber wenn Unfälle im Skisport passieren, ist oft genau das der Fall“, sagt Eder.

Eine Lösung für mehr Sicherheit, bietet – da sind sich alle einig – die moderne Technik. Der Airbag am Körper ist etabliert, das Thema elektronische Bindung, die bei Stürzen automatisch öffnet, ist immer wieder eines. Und der DSV experimentiert mit Schutzvorrichtungen an den Beinen, um Knieverletzungen vorzubeugen. Aus gutem Grund: Wegen Kreuzbandrissen fallen dem DSV gleich zwei Top-Fahrer, darunter Thomas Dreßen, Streif-Sieger im Vorjahr, aus.

(klü/dpa)
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