Neureuther hadert mit seiner Leistung „Die anderen haben sich weiterentwickelt, ich bin stehen geblieben“

München · Felix Neureuther steckt in einer der schwierigsten Phasen seiner Karriere. Und bisweilen erweckt er den Eindruck, als neige sie sich dem Ende zu.

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Das ist Felix Neureuther

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Foto: dpa, hm

Früher ging irgendwie alles leichter. Felix Neureuther war verletzt oder krank oder beides, aber immer, wenn er dann zurückkehrte oder trotzdem fuhr, gehörte er zu den Weltbesten - Trainingsrückstand hin oder her. Neureuther ist mit einem unglaublichen Skigefühl gesegnet, damit hat er in der Vergangenheit vieles ausgleichen, darauf hat er sich verlassen können. Derzeit aber sieht es nicht danach aus, als gebe es diesen alten Neureuther noch. Nur einen alternden.

Neureuther spürt ja selbst, dass diesmal vieles, wenn nicht alles anders ist. "Früher, als alles einfacher gegangen ist, bin ich runtergefahren und war in Schlagdistanz. Jetzt fahre ich runter und bin nicht in Schlagdistanz. Das kann ich mir nicht mehr erlauben", sagte er am Sonntag nach Rang 15 beim Slalom in Adelboden/Schweiz. Er sei, ergänzte er, nun "erst mal froh, nach Hause zu kommen", dort müsse er "dringend ein paar Dinge in den Griff kriegen".

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Ein paar Dinge ist untertrieben. "Kopf, Körper und Material", hat Neureuther ausgemacht als jene Bereiche, die der Arbeit bedürfen. Also alle. Er hat festgestellt: "Es ist mehr Arbeit als gedacht, da kommt gerade alles ein bisschen zusammen." Durch seinen Kreuzbandriss im November 2017 sowie die gesundheitlichen Probleme vergangenen Sommer hat er vor allem nicht ausreichend Material testen können: "Die anderen haben sich weiterentwickelt, ich bin stehen geblieben."

In den vier Slaloms seit seinem Comeback belegte Neureuther die Ränge 27, 8, 8 und nun eben 15. Jedes Mal gelang ihm nur ein wirklich guter Lauf. Nach jedem Rennen wirkte er ein wenig betrübter, am Wochenende, am Sonntag hörte er sich bisweilen an, als sehe er das Ende seiner Karriere wesentlich rascher auf sich zukommen, als es ihm lieb ist. Dabei hatte er noch zum Saisonbeginn nicht ausschließen wollen, womöglich bis zu den Olympischen Spielen 2022 weiterzumachen.

In Adelboden klang Neureuther wie auf einer Abschiedstournee. "Vielleicht ist das ein schöner Abschluss", sagte er über die WM in Are/Schweden (ab 5. Februar), die am 17. Februar mit dem Slalom der Männer endet. Er sagte auch Sätze wie: "You never know, wie es dann auch letzten Endes weitergeht." Oder: "Will mir mein Körper was sagen? Nach dem Motto: Kollege, jetzt ist mal gut so? Deswegen bin ich einfach total dankbar dafür, dass ich die Rennen hier noch mal bestreiten darf."

Noch mal - noch ein letztes Mal? Neureuther schwankte schon häufig zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, er wirkte freilich nie so ratlos, fast verzweifelt wie jetzt, da ihn sein begnadetes Skigefühl verlassen zu haben scheint. Und damit die Selbstverständlichkeit. "Momentan muss ich sehr viel nachdenken am Start, damit ich weiß, was ich zu tun habe und funktioniere. Dann verkrampft das ganze System. Ich muss oben am Start stehen und es einfach nur laufen lassen", sagte er.

Vom alten Fahrensmann Ante Kostelic, Vater und Trainer der erfolgreichen Geschwister Janica und Ivica, bekam Neureuther am Sonntag in Adelboden den Ratschlag: "Felix, nicht denken, kämpfen." Das, versprach Neureuther, "ist mein Plan für Wengen". Für den Slalom am Sonntag.

(sid/old)
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