Sportler gehen auf die Barrikaden US-Athleten drohen mit Sotschi-Boykott

New York/Berlin · Die IOC-Exekutive tagt in Lausanne, am Freitag wird der finale McLaren-Bericht veröffentlicht - vor den wichtigen Sportpolitik-Terminen sorgen US-Athleten mit Boykott-Drohungen für neuen Sprengstoff in der Doping-Debatte um Russland.

Doping-Krise: US-Athleten drohen mit Sotschi-Boykott
Foto: dpa, hkt bjw nic

Dem internationalen Sport droht in der Doping-Krise um Russland ein neuer Tiefpunkt: Erstmals gehen Sportler auf die Barrikaden. Bob- und Skeletonfahrer aus den USA erwägen einen Boykott der WM in Sotschi/Russland. Auch deutsche Athleten haben über so einen Schritt nachgedacht.

Die US-Bob- und Skeletonpiloten fürchten bei der WM im Februar bei den Doping-Tests um ihre Sicherheit. Die Integrität des Personals und die Geheimhaltung wichtiger Informationen sei am Schwarzen Meer nicht mehr gewährleistet, hieß es in einer Korrespondenz zwischen US-Sportlern, die der New York Times vorliegt.

Es handelt sich in der Doping-Krise weltweit um die bislang deutlichsten Konsequenzen von Athleten, die sich nicht mehr allein auf das Handeln ihrer Funktionäre verlassen wollen. "Das ist von höchster Stelle des Sports in den Schoß der Sportler gefallen", sagte US-Skeletoni Kyle Tress.

Die Wintersportler sind nach wie vor aufgeschreckt durch die Ergebnisse von WADA-Sonderermittler Richard McLaren, der Russland für die Zeit von 2011 bis 2015 ein staatlich gelenktes und weit verbreitetes Doping-System attestiert hatte. Am Freitag präsentiert der Kanadier seinen finalen Report. Man darf gespannt sein, ob das Internationale Olympische Komitee (IOC) bei seiner Exekutiv-Sitzung in Lausanne bis Donnerstag reagiert.

Aus den Aussagen der Sportler ist auch Frust über die bisher eher harmlosen Maßnahmen der Verbände gegen Russland herauszuhören. "Die Tatsache, dass nach dem Sotschi-Skandal nichts passiert ist und der Fakt, dass wir trotzdem dahin fahren sollen, gibt uns nicht das Gefühl, dass die Situation ernst genommen wird", sagte die ehemalige Skeleton-Weltmeisterin Katie Uhlaender.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte angesichts des McLaren-Studie im Sommer auf einen Komplett-Ausschluss Russlands für die Spiele in Rio verzichtet, aber auch dazu aufgerufen, keine Groß-Events mehr nach Russland zu vergeben. Das Bob-Event war jedoch schon zuvor an Sotschi vergeben worden.

Laut Korrespondenz sollen die US-Athleten die Unterstützung des Nationalen Olympischen Komitees USOC haben, auch wenn sich dieses in der Doping-Debatte um Russland bislang mit öffentlichen Forderungen zurückgehalten hatte. Das lag auch daran, dass das USOC wegen der Bewerbung von Los Angeles um die Olympischen Spiele 2024 auf internationalem Parkett kein Porzellan zerschlagen wollte.

"Das USOC unterstützt keinen Komplett-Boykott von Groß-Events", sagte ein USOC-Sprecher der New York Times, allerdings meinte er auch: "Alle Entscheidungen unserer Athleten werden unabhängig von unserer Bewerbung für 2024 unterstützt, die unabhängig von diesen Veranstaltungen ist."

Beim Deutschen Bob- und Schlittenverband (BSD) ist die Haltung in Übersee bekannt. "Ich rechne nicht damit, dass die US-Athleten nach Sotschi kommen", sagte BSD-Generalsekretär Thomas Schwab. Am Wochenende beim Weltcup in Whistler/Kanada hätten die Trainer aller Nationen das Thema erörtert.

"Der deutsche Verband ist mit dem Problem an den internationalen Verband herangetreten, und der hat uns versichert, dass die Doping-Kontrollen in Sotschi nicht in russischen Händen liegen werden", sagte Schwab. Deshalb wohl werde das deutsche Team zur WM reisen, obwohl man noch nicht gebucht habe. Eine letzte Aussprache soll es rund um den Weltcup in Lake Placid vom 12. bis 17. Dezember geben.

Travis Tygart, Vorsitzender der US-Anti-Doping-Agentur USADA, zeigte Verständnis für die Haltung der Athleten, deren Sorge von Sportlern aus anderen Nationen geteilt werde. "Es betrifft nicht nur die US-Athleten", sagte Tygart: "Sportler in der ganzen Welt haben Befürchtungen, und ein Boykott ist der letzte Ausweg."

(sid)
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