Olympia-Kolumne Yao Ming – der bedeutendste Chinese

London · Die Arbeit beim Basketball-Turnier erfordert ein bisschen Organisation. Wenn die US-Amerikaner ihre Show bieten, müssen schreibende Reporter mindestens eine Stunde vor dem ersten Sprungball an Ort und Stelle sein, ansonsten bauen sich freundliche, aber finster zur Einhaltung der olympischen Ordnung entschlossene Security-Leute vor einem auf, verbauen den Weg und schicken einen zurück ins "Venue Media Center": kein Platz mehr auf der Pressetribüne.

Wer zu spät kommt, muss die Spiele dort auf einem Fernsehschirm verfolgen. Von der Atmosphäre, vom ganzen olympischen Flair einer mit 12 000 Zuschauern ausverkauften Halle bekommt man so natürlich nichts mit.

Fast genauso groß wie bei den Auftritten der amerikanischen Basketballer ist der Andrang, wenn die Chinesen spielen. Reporter aus dem Reich der Mitte drängeln dann in Richtung der Tribünen – ganz so, wie sie es aus Pekings U-Bahn zur Rushhour gewohnt sind. Verantwortlich für den chinesischen Basketball-Hype ist Yao Ming. Neun Jahre spielte er bei den Houston Rockets in der NBA. Im vergangenen Jahr beendete er wegen fortwährender Verletzungsprobleme, vor allem die Füße waren betroffen, mit 31 Jahren seine Karriere.

Seit sechs Jahren führt Yao Ming die auf Einkommen und Popularität beruhende Rangliste an, in der das US-Magazin "Forbes" die bedeutendsten der 1,3 Milliarden Chinesen auflistet. Sein Jahreseinkommen wurde mal auf 50 Millionen Dollar geschätzt. Er wirbt für Nike, Coca-Cola, Apple, Garmin und McDonald's.

Vor acht Jahren war Yao Ming Chinas Fahnenträger in Athen, vor vier Jahren brachte er Chinas Fahne ins Vogelnest-Stadion von Peking. In London nimmt er erneut an den Spielen teil, und zwar als Experte für den chinesischen Fernsehsender CCTV 5.

Um einen Platz auf der Medientribüne muss er sich, anders als viele chinesische Reporterkollegen, natürlich nicht balgen. Doch leicht ist es für ihn dort oben auch nicht. Wie soll man 2,29 Meter Körperlänge an einen eng bemessenen Arbeitsplatz quetschen? Der einstmals längste Spieler der NBA schafft es so gerade. Doch wenn er einmal sitzt, dann sitzt er. Alles, was er an Zetteln und Getränken braucht, lässt er sich von den Kollegen bringen. An Helfern, die ihm das Wasser reichen, mangelt es nicht. CCTV hat ein 450 Mann starkes Team nach London geschickt.

Die Bezeichnung des Senders CCTV (China Central Television) ist in London übrigens an jeder Ecke zu lesen. Die Abkürzung CCTV (closed circuit television) steht nämlich auch für die Überwachungskameras, die nach Big-Brother-Art praktisch alle Straßen und öffentlichen Plätze ausspähen, um mögliche Straftaten zu verhindern. Es gibt Schätzungen, nach denen jeder Londoner 300-mal pro Tag aufgenommen wird.

(RP/seeg)
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