Bayern-Trainer Heynckes zieht sich zurück Im Kreis der Geschwister fühlt sich "dä Jupp" wohl

Mönchengladbach · Jupp Heynckes deckte gestern den Frühstückstisch. Er schälte das Obst für seine Frau. Vermutlich hat er Quark mit Omega-3-Ölen, mit Leinöl und Granatapfel-Öl sowie ein paar Ingwer-Tropfen gegessen. So wie Sternekoch Alfons Schuhbeck es ihm empfohlen hatte.

Und Heynckes brachte den Müll vor die Tür. Es war ein ganz normaler Start in den Tag. Ein Start, wie bei vielen treu sorgenden 68-jährigen Männern, friedlich und fürsorglich. Heynckes fühlt sich wohl in seiner kleinen Welt, ob in der Stadtwohnung in München oder am Niederrhein. Er schämt sich seiner Tränen nicht, wenn er vor Publikum von seiner Heimat spricht — so wie zuletzt nach dem Bundesligaspiel im Borussia-Park. Er schätzt die Feiern im Kreis der Familie. Mit Frau Iris, mit Tochter Kerstin, mit seinen Geschwistern.

Josef, "dä Jupp", wurde am 9. Mai 1945 geboren, einen Tag nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Er wuchs als neuntes von zehn Kindern eines Schmieds im Gladbacher Vorort Holt auf. "Ich weiß noch, wie es an Waschtagen war. Wir hatten so einen Bottich, darunter wurde Feuer gemacht mit den leeren Kartons aus unserem Tante-Emma-Laden. Und meine Schwestern haben den ganzen Tag gewaschen. Ich habe meine Mutter bewundert, wie sie uns durch die Zeit gebracht hat", erzählt er. Heynckes erlernte den Beruf des Stuckateurs, er wollte Architekt werden. Doch die Karriere als Fußballprofi kam dazwischen. Sie hat ihm ein Vermögen eingebracht. Und sie hat seinen Körper beansprucht. Mehrmals musste er sich operieren lassen, er hat eine Knieprothese.

Die Sparsamkeit und die Prinzipien der Wiederaufbaujahre nach dem Krieg hat er sich bewahrt. Als er und Borussia Mönchengladbach sich 2007 trennten, fuhr er seinen Dienstwagen noch durch die Waschanlage, bevor er ihn zurückgab.

Nach der Pressekonferenz, in der er gestern seinen vorläufigen Abschied vom Profifußball verkündete, lud Jupp Heynckes die Journalisten zum Essen ein. Es gab Rheinischen Sauerbraten, sein Lieblingsgericht. Auch nach dem Bundesliga-Spiel seiner Bayern bei seinen Borussen hatte Heynckes diese Spezialität der Region servieren lassen, als er die Mannschaft auf seinem Hof in Waldniel bewirtete. Als Vorspeise gab es Scampisalat, zum Dessert Nusseis. Heynckes löste damit eine Wettschuld ein. Es war ihm eine Ehrensache.

Die Profis genossen den Abend. Sie bestaunten den Teich, den prächtigen Bestand an Bäumen, die 3500 Quadratmeter Rasenfläche. Und sie machten bei der Gelegenheit Bekanntschaft mit Schäferhund Cando. "Er hat niemanden gebissen", sagte Heynckes gestern schmunzelnd. Bastian Schweinsteiger und der Hund seien seit dem Besuch "ein Herz und eine Seele".

"Casa de los Gatos", Haus der Katzen, nennen die Heynckes' ihr Zuhause auf Spanisch. Die Vorliebe fürs Spanische, für die Lebensart im Süden, haben sie sich bewahrt. Teneriffa, Bilbao, Madrid waren Stationen, die Heynckes' Trainerarbeit geprägt, ihn noch mehr zum Teamarbeiter gemacht haben. Er genießt es, wenn er spanisch sprechen kann. So wie zuletzt noch nach dem 3:0-Sieg beim FC Barcelona.

Und wer weiß, was passiert, wenn sich Real in ein paar Monaten noch einmal bei ihm meldet?

(bei/oes)
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