Ankara Türkei verschärft Zensur im Internet

Ankara · Ein neues Gesetz gibt Erdogan noch mehr Macht. Seine Gegner sind empört.

In der Türkei hat der Regierungsentwurf für ein neues Internet-Gesetz die Befürchtung ausgelöst, dass freie Meinungsäußerungen im Netz schon bald strenger Zensur unterworfen werden. Die Vorlage, die im Parlament von Ankara zur Abstimmung steht, gibt der Regierung das Recht, einzelne Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss zu sperren. Die Opposition wirft Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor, so seine Kritiker zum Schweigen bringen zu wollen. Auch international gibt es Bedenken.

Erdogans Regierung begründet das Vorhaben mit dem notwendigen Schutz der Persönlichkeitsrechte. Nach der Vorlage kann die Regierung oder ein Bürger, der sich durch einen Beitrag im Internet beleidigt fühlt, bei der zuständigen Aufsichtsbehörde eine Sperrung der betreffenden Seite beantragen. Die Seite wird dann innerhalb von vier Stunden und ohne Anhörung des betroffenen Nutzers gesperrt.

Anschließend muss sich der Kläger an ein Gericht wenden. Tut er das nicht, wird die Seite in drei Tagen wieder freigegeben. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass eine einfache Wiederholung der Beschwerde ausreichen würde, um die Seite erneut sperren zu lassen.

Schon jetzt sind in der Türkei viele Websites gesperrt, doch ist eine Sperrung ohne richterliche Anordnung bisher nur in Ausnahmen wie bei Kinderpornografie zulässig. Die Ausweitung der Regierungsbefugnisse auf den vagen Begriff der Beleidigung lässt Erdogan-Kritiker Schlimmes befürchten. Sollte das Gesetz unverändert verabschiedet werden, wäre die Türkei "in Sachen Internetzensur die Nummer eins in der Welt", sagte der Oppositionspolitiker Umut Oran.

Der Gesetzentwurf sieht auch eine bis zu zweijährige Vorratsspeicherung von Internet-Nutzungsdaten vor; die Daten können von den Sicherheitsbehörden ohne richterliche Anordnung abgerufen werden. Alle Internetanbieter werden unter dem Dach eines Verbandes zusammengefasst.

Der Gesetzentwurf war kurz nach Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe gegen Erdogans Regierung im Dezember eingebracht worden. Seitdem tauchen im Netz – dem mit knapp 40 Millionen Nutzern größten Kommunikationsforum der Türkei – fast täglich neue Vorwürfe gegen Erdogan auf.

(RP)
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