Washington Obama fordert Reichensteuer

Washington · Mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit hat der amerikanische Präsident den Republikanern neun Monate vor der Wahl entschlossen den Kampf angesagt. Jeder US-Bürger müsse "eine faire Chance" erhalten. Obamas Rede zur Lage der Nation war stark vom Wahlkampf geprägt.

Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für mehr Fairness und Chancengleichheit hat US-Präsident Brack Obama insbesondere den republikanischen Multimillionär Mitt Romney herausgefordert, den viele Experten für den wahrscheinlichen Gegner Obamas bei der Wahl am 6. November halten. In seiner Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress forderte Obama am Dienstagabend (Ortszeit) höhere Steuern für Millionäre, Hilfen für Hausbesitzer in Nöten und bessere Bildungschancen. Die USA müssten ein Land bleiben, in dem "jeder eine faire Chance erhält, jeder seinen fairen Beitrag leistet und jeder sich an dieselben Regeln hält".

Als Beispiel für eine ungerechte Sozialpolitik in den USA und die hart arbeitende Mittelklasse hatte Obama die Sekretärin Debbie Bosanek ausgewählt und in die Ehrenloge des Kongresses eingeladen, wo sie gleich hinter Michelle Obama und neben Laurene Powell Jobs, der Witwe des verstorbenen Apple-Pioniers Steve Jobs, platziert worden war. Seit knapp 20 Jahren ist Bosanek Sekretärin im Vorzimmer von Warren Buffett, dem drittreichsten Mann der Welt. Seit ihr Chef sagte, es gehe nicht an, dass seine Sekretärin höhere Steuersätze zahle als ein steinreicher Investor wie er, ist ihr Name in aller Munde.

Der Präsident hat sie eingeladen, damit er anschaulicher über Gerechtigkeit sprechen kann in seiner Rede zur Lage der Nation: über die Exzesse der Wall Street, den Egoismus von Geldjongleuren à la Mitt Romney, die kühl und kenntnisreich ein Steuerrecht ausnutzen, das zu viele Schlupflöcher bietet. "Sie können das Klassenkampf nennen, so oft Sie wollen", sagte Obama, an die konservative Opposition gewandt. "Von einem Milliardär zu verlangen, dass er wenigstens so hohe Steuern zahlt wie seine Sekretärin? Die meisten Amerikaner würden es gesunden Menschenverstand nennen."

Buffett selbst hat vorgeschlagen, die Schieflage zu korrigieren, Kapitalanleger genauso zur Kasse zu bitten wie Lohnempfänger. Obama lässt erstmals konkrete Ziffern zirkulieren. Wer mehr als eine Million Dollar pro Jahr verdient, soll mindestens 30 Prozent Steuern zahlen, nicht die 14 Prozent, die Romney beim Fiskus abliefert. Solche Reformen, das ist der Haken, müssten vom Kongress beschlossen werden. Solange die Konservativen das Repräsentantenhaus kontrollieren, bleiben sie ein frommer Wunsch.

Es geht Obama denn auch weniger um praktische Politik, sondern mehr um eine Plattform für den Wahlkampf. Sein Amerika und Romneys Amerika, das ist der rote Faden der Rede. Nach der Gesellschaftsskizze der Republikaner, sagt Obama, gehe es einer immer kleineren Zahl von Amerikanern immer besser, während eine immer größere Zahl kaum noch über die Runden komme.

Dem stellt er seine eigene Blaupause entgegen: Es gebe da dieses alte Versprechen, "dass es dir gut gehen wird, wenn du hart arbeitest, dass du eine Familie gründen, ein Haus besitzen, deine Kinder aufs College schicken und ein bisschen für die Rente beiseitelegen kannst". Das seien keine demokratischen oder republikanischen, das seien amerikanische Werte. Es sind Worte, die an die Euphorie von 2008 erinnern. Damals verband sich mit dem Kandidaten Obama die Hoffnung, die Vereinigten Staaten wirklich zu einen und Brücken über Parteigräben zu bauen, die unter Bill Clinton und George W. Bush immer tiefer aufgerissen worden waren.

Es kam anders. Das Parlament ist heute zerstritten bis zur Handlungsunfähigkeit. Obama scheut sich nicht, auch über die eigenen Parteifreunde hinwegzurollen wie ein rhetorischer Bulldozer. Angriffslustig skizziert er einen "Do-nothing-Congress", eine Legislative, in der noch das einfachste Gesetz an kindischer Blockadepolitik scheitert. Der Kongress, das weiß er aus Umfragen, rangiert in puncto Popularität noch weit hinter ihm, einem Präsidenten, den Rezession, Immobilienkrise und hohe Arbeitslosigkeit völlig entzaubert haben. Also gibt er jetzt konsequent den Erwachsenen im Kinderzimmer.

Internet Das sind Obamas Herausforderer im Wahlkampf: Porträt der Republikaner unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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