Mubarak – der ägyptische Patient

Die Demonstranten fordern weiter den Kopf von Ägyptens Staatschef. Doch ein formeller Rücktritt könnte die Lage noch zusätzlich komplizieren. Zwischen Regierung und Opposition herrscht offenes Misstrauen. Nun wird daran gedacht, Mubarak in eine deutsche Klinik abzuschieben.

Kairo/Düsseldorf Zwei Wochen nach dem Beginn der Massenproteste gegen das Regime in Ägypten hat die Revolution eine Atempause eingelegt. Während der harte Kern der Demonstranten weiter auf dem Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo ausharrte, wurde hinter den Kulissen über einen Ausweg aus der Krise gefeilscht. Und dabei steht eine Person weiter im Mittelpunkt aller Planspiele: Hosni Mubarak.

Ägyptens angeschlagener Präsident hat sich aus dem aufrührerischen Kairo in eine scharf bewachte Villa im Badeort Scharm el Scheich zurückgezogen. Der 82-Jährige macht aber keine Anstalten, sein Amt vor der Präsidentenwahl im September zu räumen, wie es die meist jungen Demonstranten weiterhin vehement fordern. Die Sache ist freilich vertrackt: Ein Rücktritt Mubaraks würde streng genommen Neuwahlen in nur 60 Tagen nach sich ziehen, und zwar nach Regeln, die keine faire Abstimmung zulassen. Ein Dilemma.

Fieberhaft wird nach einem Ausweg gesucht. Den nach 30 Jahren repressiver Herrschaft in weiten Teilen des Volkes verhassten Mubarak bis September einfach im Amt zu lassen, scheint nach den Geschehnissen der vergangenen Tage kaum möglich. Also machen kreative Szenarien die Runde. Seit dem Wochenende kursiert das Gerücht, die USA favorisierten eine Ausreise des greisen Staatschefs unter dem Vorwand einer medizinischen Behandlung. Mubarak könnte die Macht inoffiziell in die Hände seines Vizes Omar Suleiman legen, es würde ihm dadurch ein würdevoller Abgang ermöglicht.

Gedacht ist offenbar daran, Mubarak nach Deutschland auszufliegen, wo er sich schon im vergangenen Jahr in einem Heidelberger Krankenhaus einer Gallenblasen-Operation unterzogen hatte. Selbst eine mögliche Adresse wird bereits gehandelt, eine Prominenten-Klinik in Baden-Baden. Noch ist Mubaraks politischer Kur-Urlaub in deutschen Landen nicht mehr als ein Gedankenspiel, doch Berliner Politiker äußerten sich schon vorwiegend zustimmend. Nur wenige warnten vor den möglichen Folgen einer solchen "humanitären Lösung". Der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai etwa befürchtet eine Belastung "unserer Beziehungen zum neuen Ägypten".

Das könnte geschehen, wenn der Eindruck entsteht, dass Deutschland dem geschassten Potentaten eine Art goldenes Exil oder gar politisches Asyl bietet. Denn in irgendeiner Form wird Mubarak wohl einst Rechenschaft ablegen müssen. Seine Gegner weisen in diesen Tagen immer wieder darauf hin, dass das Regime noch längst nicht aufgehört hat zu existieren. Im Gegenteil: Alles sei auch jetzt noch "wie immer", bemängelt die Menschenrechtsaktivistin Aida Saif el Dawla. "Die Sicherheitskräfte nehmen bei den Demonstrationen Menschen fest oder führen sie von zu Hause ab und foltern sie dann zum Beispiel mit Elektroschocks", sagt sie. Ausländische Journalisten, die am Rande der Demonstrationen festgenommen worden waren, berichteten nach ihrer Freilassung, in den teils geheim gehaltenen Gefängnissen Augenzeugen von Folter geworden zu sein.

Dass ausgerechnet der enge Mubarak-Vertraute und frühere Geheimdienstchef Omar Suleiman jetzt einen demokratischen Übergang aushandeln soll, stößt auf offenes Misstrauen. Seinen Versprechungen trauen die Demonstranten nicht. Schließlich besteht das Regime nicht nur aus Mubarak. Um die Person des Staatschefs herum hat sich in 30 Jahren ein ganzes Netzwerk aus Geheimdienstleuten gebildet, Militärs, Parteifunktionären. Diese Machtelite hat viel zu verlieren bei einem demokratischen Umbruch. Sie wird versuchen, ihn zu verhindern oder doch wenigstens in ihrem Sinne zu manipulieren. Schon gibt es Vorwürfe, die Regierung setze mit ihren Verhandlungsangeboten nur auf eine Verzögerungstaktik. "Das ist die Art des Regimes, Zeit zu schinden", sagt die auf die Seite der Opposition gewechselte Politikerin Hala Mustafa, die früher Mubaraks Nationaldemokratischer Partei angehörte. "Deshalb fehlt es hier wirklich an Treu und Glauben."

Doch selbst manche der schärfsten Kritiker Mubaraks scheinen sich allmählich damit abzufinden, dass der Langzeitherrscher vielleicht doch noch eine Weile bleiben muss, und sei es nur als Aushängeschild, um Reformen in Gang bringen zu helfen. "Es ist kompliziert", räumt der prominente Menschenrechtsanwalt Hossam Bahgat ein. "Es wäre viel einfacher gewesen, wenn wir es geschafft hätten, das Regime mit diesem Aufstand direkt zu stürzen."

(RP)
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