Kommentar zu Ermittlungspannen Im Fall Amri zählt nur die ganze Wahrheit

Meinung | Berlin · Wenn einer wie Anis Amri einen Anschlag mit zwölf Toten und über 70 Verletzten begeht - einer, der vorher von Informanten der Sicherheitsbehörden regelrecht umzingelt war, dann hat es ein gewaltiges Behördenversagen gegeben.

  Polizisten und Rettungskräfte stehen vor der Gedächtniskirche in Berlin. (Archivbild)

Polizisten und Rettungskräfte stehen vor der Gedächtniskirche in Berlin. (Archivbild)

Foto: dpa/Michael Kappeler

So viel stand auch schon nach den ersten Untersuchungsausschüssen in Berlin und Düsseldorf fest. Wie gut es war, jeden Stein trotzdem in einem neuen Ausschuss ein weiteres Mal umzudrehen, zeigt sich nun nach der sensationellen Aussage eines Hauptkommissars des NRW-Landeskriminalamts.

So befremdlich es ist, dass der Beamte erst jetzt mit der Enthüllung über die Intervention „von oben“ herausrückt, so erwartbar ist, dass die unter Verdacht geratenen Behörden BKA und Innenministerium erst einmal dementieren, sie hätten die wichtigste Amri-Kontaktperson in NRW kaltstellen wollen. Doch mit der Aussage nähert sich der Ausschuss einem Graubereich. Dieser wird etwa von Hinweisen aus dem Kreis der Opferangehörigen definiert, die von Vertretern des Staates mit Zugang zu Geheimakten erfahren haben wollen, es sei letztlich gut für sie, „nicht alles zu erfahren“, was bei diesem Attentat eine Rolle gespielt habe.

Der LKA-Beamte hat dem Ausschuss möglicherweise das Ende eines roten Fadens gereicht, an dem entlang er sich jetzt in eine tiefere Ebene vorarbeiten kann. Es ist richtig, dass die Behörden intern die Strukturen und Abläufe so verändert haben, dass ihnen nach ihrer Überzeugung ein Fall Amri nicht noch einmal passiert. Doch sie glaubten schon einmal, alles richtig zu machen, und lagen dramatisch falsch. Deshalb muss die ganze Wahrheit auf den Tisch, auch wenn sie zur Verunsicherung des Publikums beitragen sollte, wie es der damalige Innenminister Thomas de Maizière 2015 andeutete. Nur Teile der Antworten zu bekommen, verunsichert auf die Dauer noch mehr.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Kommentars war zunächst von 13 Menschen die Rede, die bei dem Attentat getötet worden waren. Richtig ist, dass elf Menschen bei dem Attentat sowie der Fahrer der Spedition starben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort