Untersuchungsausschuss Lügde Land verstößt gegen die Verfassung

Düsseldorf · Gerichtshof gibt der Klage der Opposition auf Aktenvorlage im Fall Lügde statt. Landesregierung muss nun sämtliche Unterlagen dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder nachreichen.

 Polizeiabsperrung auf dem Campingplatz in Lügde. Foto: Guido Kirchner/dpa

Polizeiabsperrung auf dem Campingplatz in Lügde. Foto: Guido Kirchner/dpa

Foto: dpa/Guido Kirchner

Das Justiz- und das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen haben bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder teilweise gegen die Landesverfassung verstoßen. Zu diesem Urteil kam der Landesverfassungsgerichtshof am Dienstag in einem Organstreitverfahren, das die Opposition angestrengt hatte.

SPD und Grüne hatten auf vollständige Vorlage der Akten im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Pua) Lügde geklagt, der hundertfache sexualisierte Gewalt an Kindern auf einem Campingplatz in Lügde aufklären soll. NRW-Justizminister Peter Biesenbach und Innenminister Herbert Reul (beide CDU) hatten die vollständige Aktenvorlage verweigert.

Die fehlenden Akten könnten Beobachtern zufolge Hinweise darauf liefern, warum die Behörden auf Warnsignale nicht reagierten und warum es bei der Spuren- und Beweismittelsicherung zu Pannen gekommen war. So waren Datenträger mit Filmaufnahmen bei der Polizei verschwunden und Befragungen der Opfer von hierfür nicht ausgebildeten Kräften vorgenommen worden.

„Mit dem heute verkündeten Urteil hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Minister teilweise das aus Art. 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Landesverfassung folgende Recht der Ausschussminderheit auf vollständige Aktenvorlage an den Untersuchungsausschuss verletzt haben“, hieß es in dem Urteil. Weitere Verfassungsverstöße bestünden darin, dass der Justizminister auch Verzögerungen bei der Vorlage von Akten nicht ausreichend  habe begründen können.

Zu den Verzögerungen kam es, weil in den Akten viele Namen geändert, also pseudonymisiert, werden mussten, um die beteiligten Kinder zu schützen. Der zeitliche und personelle Aufwand für die Anonymisierung und Pseudonymisierung zum Schutz der Opfer war falsch eingeschätzt worden. „Die danach unzweifelhaft eingetretene Verzögerung der Vorlage der Akten insbesondere der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts Detmold sei nicht in einer nachvollziehbaren und plausiblen Weise kommuniziert worden“, sagte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Ricarda Brandts. Die Pseudonymisierung an sich sei aber geboten gewesen. Eine weitere Klage von SPD und Grünen wies der Verfassungsgerichtshof ab, weil sie nicht fristgerecht eingegangen sei.

Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition, um Missstände aufzuklären.  Akten der Behörden sind in einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen der Opposition vorzulegen.

„Das heutige Urteil hat die Rechte des Parlaments gestärkt. Das Gericht hat uns darin Recht gegeben, dass die Landesregierung dem Pua die Akten schneller und transparenter hätte liefern müssen“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der SPD- und Grünen-Fraktion. Einmal mehr habe der Verfassungsgerichtshof bestätigt, dass die Landesregierung die Rechte des Parlaments verletzt und gegen die Verfassung verstoßen habe.

Das Innenministerium wird nach eigenen Angaben die Urteilsgründe nun analysieren und fehlende Akten umgehend an den Ausschuss übergeben. Das Ministerium betonte: „Dabei geht es für den Bereich des Innenministeriums um rund 2.100 Blatt bei einer bereits erfolgten Vorlage von über 520.000 Blatt.“ Das Gericht habe aber bestätigt, dass die Pseudonymisierung zum Schutz der Kinder absolut geboten gewesen sei.

(kib)
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