Gespräch zwischen Schröder und Chriac Frankreich und Deutschland wollen mehr EU-Mehrheitsentscheidungen

Hannover (dpa). Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam für eine Zunahme der Mehrheitsentscheidungen in der Europäischen Union streiten. Das haben Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac am Sonntag in Hannover bekräftigt. "Deutschland und Frankreich werden sich in dieser Frage nicht auseinander bringen lassen", sagte Schröder in einem Interview des ZDF. Chirac bekräftigte, die Frage werde kein Problem werden.

Schröder betonte: "Ich bin mit dem französischen Präsidenten völlig einig, dass wir mehr Möglichkeiten für Mehrheitsentscheidungen schaffen müssen." Dies sei in Europa bereits weitgehend unstrittig. "Wenn Europa größer wird, muss man, um Europa führungsfähig zu halten, dazu kommen." Der Kanzler ging davon aus, dass bei Mehrheitsentscheidungen große EU-Staaten nicht überstimmt werden.

Chirac sagte, Frankreich wolle während seiner am 1. Juli beginnenden Ratspräsidentschaft Fortschritte bei der EU-Erweiterung erreichen. "Ich bin da ehrgeizig. Mein Ehrgeiz besteht darin, hier voranzukommen und mit diesem großen Abenteuer fortzufahren." Schröder meinte, die Osterweiterung der EU liege auch im nationalen Interesse. "Wir geben nicht nur was. Wir haben was davon."

Weder Chirac noch Schröder wollten ein konkretes Datum für die Aufnahme weiterer Staaten in die EU wie Polen nennen. "Das ist keine politische Entscheidung", sagte Chirac. Vielmehr müssten die betrittswilligen Staaten die nötigen wirtschaftlichen Reformen umsetzen. "Um Mitglied der Union zu werden, muss man dazu in der Lage sein. Man muss in der Lage sein, die Spielregeln anzuwenden."

Schröder und Chirac lehnten eine Lockerung der Isolierung Österreichs durch die 14 anderen EU-Staaten ab. Gegenwärtig gebe es keinen Grund, darüber nachzudenken, sagte der Kanzler. Beide Politiker sprachen sich für ein einheitliches Einwanderungsrecht in der EU und für eine europäische Verfassung aus. Diese Frage werde mittelfristig entschieden, sagte Schröder. "Auf die lange Bank soll nichts geschoben werden." Chirac meinte, eine europäische Verfassung könne es vielleicht in ein oder zwei Jahren geben.

Der Bundeskanzler und der französische Präsident erklärten, dass beide Staaten sowie Finnland eng bei der Lösung des Geiseldramas auf den Philippinen zusammenarbeiten. "Wir tun unser Bestes. Wir sind auch mit dem Herzen bei der Sache", sagte Chirac. Es sei aber nichts schwieriger zu regeln als solche Geiselnahmen. "Wir brauchen Geduld", meinte auch Schröder. Jeder könne sich aber darauf verlassen, dass alles Erdenklich zur Lösung des Geiseldramas getan werde.

Schröder und Chirac aßen nach der Aufzeichnung des Interviews zusammen mit ihren beiden Ehefrauen in einem Restaurant in Hannover privat zu Abend. An diesem Montag werden sie zusammen die Expo 2000 besuchen und dann nach Berlin weiterfliegen. Dort wird am Mittag der offizielle Staatsbesuch beginnen. Es ist die erste offizielle Visite eines französischen Staatschefs in Deutschland seit 13 Jahren.

(RPO Archiv)
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