Bundespräsident am Tag der Einheit Harmonischer Applaus für braven Wulff

Berlin (RPO). Die Latte lag hoch für den neuen Bundespräsidenten. Von Christian Wulffs erster programmatischen Rede wurde nach seinem holprigen Start ins neue Amt viel erwartet. Das sichtlich angespannte Staatsoberhaupt lieferte am Sonntag eine ruhige und über weite Strecke erwartbare Rede. Das Echo fällt dennoch verhalten positiv aus, auch wenn der große Glanz fehlte. Kritik kam von der katholischen Kirche.

 Joachim Gauck hielt eine viel gelobte Rede vor dem Abgeordnetenhaus in Berlin.

Joachim Gauck hielt eine viel gelobte Rede vor dem Abgeordnetenhaus in Berlin.

Foto: dapd, dapd

Weihbischof Heiner Koch vom Erzbistum Köln hat vor einer intellektuell gleichmacherischen und somit unredlichen Vermengung von Christentum und Islam gewarnt. Koch sagte gegenüber unserer Redaktion, der Bundespräsident habe Recht, wenn er die bei uns lebenden muslimischen Bürger als Teil Deutschlands bezeichne. Jetzt aber müsse endlich einmal intensiv über die gesellschaftsrelevanten und mit Blick auf die Werte des Grundgesetzes staatstragenden Aussagen der verschiedenen Religionen diskutiert werden.

Koch fügte hinzu: "Wir Christen haben hohen Respekt vor den Muslimen, deren freier Religionsausübung und deren Frömmigkeit, die für uns Christen auch eine Herausforderung darstellen. Aber wir sollten uns in der politischen Debatte davor hüten, alles in einen Topf zu werfen, es dann umzurühren und dabei zu denken: Christentum, Islam, egal, alles gleich." Man müsse deutlich herausarbeiten, wofür jeder Glaube stehe. Es sei unbestritten, dass historisch der Einfluss des Christentums auf Gesellschaft und Kultur in Deutschland erheblich gravierender und prägender sei als derjenige des Islam.

Wulff hat sich in seiner Rede offenbar bemüht, keiner in Deutschland lebenden Gruppe auf die Füße zu treten. Dies ist offenbar gelungen. Und so lobte am Montag auch der Zentralrat der Muslime die Rede des Niedersachsen.

Der Bundespräsident habe ein "klares, deutliches und wichtiges Signal für alle Muslime in Deutschland" gegeben, erklärte der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek der "Bild"-Zeitung. Wulff habe betont, dass Muslime in Deutschland nicht als Bürger zweiter Klasse lebten.

Verzicht auf verbale Stimmen

Wulff hatte in seiner Rede in Bremen am Sonntag die Einwanderer zur besseren Integration aufgefordert, die Deutschen aber zugleich zu Offenheit und Toleranz ermahnt: Neben Christen- und Judentum gehöre inzwischen auch der Islam zu Deutschland, sagte er. Wulff ging damit wie erwartet auf die Sarrazin-Debatte ein, ohne dabei genauer auf die Vorwürfe des umstrittenen SPD-Politikers einzugehen.

Wulff verzichtete gänzlich auf verbale Spitzen. Anschließend forderte er im ARD-Interview, dass die Debatte über einen Beitritt der Debatte der Türkei zur EU fair und ergebnisoffen geführt werden müssen. Wullfs Signal an die in die Deutschland lebenden Türken: Ich bin auch euer Präsident.

Kirche: Mehrheitskultur respektieren

Signale, die nicht überall auf reine Zustimmung treffen. Deutschland sei noch immer geprägt von der christlichen Kultur und Tradition und er werde dafür kämpfen, das diese nicht preisgegeben werden, erklärte der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke der "Bild"-Zeitung. Muslime hätten die gewachsene Mehrheitskultur in unserem Land zu respektieren.

Ungewöhnlich lobende Worte fand indes Linke-Fraktionschef Gregor Gysi für den Bundespräsidenten. Wulff habe im Kern eine gute Rede gehalten und betont, dass Integration nicht nur zwischen Ost und West funktionieren müssen. "Aber in erster Linie müssen wir unsere eigenen Integrationsangebote verbessern. Das hat der Bundespräsident gesagt und das ist okay so. Er ist ja der Präsident aller und nicht nur der Konservativen", erklärte Gysi nahezu harmoniebedürftig.

Keine Geste, eine Selbstverständlichkeit

Kritiker werfen Wulff vor, eine weichgespülte und damit letztlich eine wenig wegweisende Rede gehalten zu haben. Und in der Tat: Wulffs Ankündigung, er wolle der Präsident aller Deutschen sein, ist keine große Geste, sondern eine Selbstverständlichkeit. Seine Aufforderung an Ausländer, schneller und besser deutsch zu lernen, ist eine seit Jahrzehnten bekannte Weisheit.

Auch über die Sarrazin-Debatte erlaubte sich der ehemalige Ministerpräsident Niedersachsens kein Urteil. Keine Kritik an einer hysterischen Debattenkultur. Kein Rüffel an die etablierten Parteien, die eines der wichtigsten Themen des Landes einem notorischen Zündler und Provokateur überlassen. Wulff bleibt brav.

Lob für Gauck

Und so tuschelte man am Sonntagabend in Berlin, dass die bessere Rede zur Einheit im Berliner Abgeordnetenhaus gehalten wurde. Dort sprach der frühere Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde und ehemalige Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, zum Tag der Einheit.

"Der Staat, den sich die Demokratiebewegung Europas geschaffen hat, darf sich nicht selbst zur Disposition stellen, indem er die eigenen Normen nicht ernst nimmt", rief der Theologe seinen Zuhörern zu. Die Sprachschwierigkeiten viele Ausländer nannte Gauck einen "merkwürdigen Zustand". Gauck selbst nannte dieses heimliche Rede-Duell mit Wulff selbst ironisch einen "Sänger-Wettstreit". Die Debatte über einen Sieger erscheint müßig. Dass Wulff kein brillanter Redner ist, war seit längerem bekannt.

Deutlich wurde aber: Ein deutlicher Befreiungsschlag für den ins Amt gestolperten Wulff (Sarrazin-Deal, Wirbel um Luxus-Urlaube) war dieser Auftritt nicht. Dafür fehlte dem braven Wulff der Glanz.

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