Kommentar zur Bundeswehr Deutschland und die Taliban Todesliste

Meinung | Berlin · Bei ihrem Mitwirken an der Todesliste der Militärs für die Jagd nach Taliban-Verdächtigen in Afghanistan will sich die Bundeswehr streng an die Regeln des humanitären Völkerrechtes gehalten haben. Nicht nur das muss erst noch bewiesen werden. Auch der Einsatz an sich ist höchst zweifelhaft.

Kommentar zur Bundeswehr: Deutschland und die Taliban Todesliste
Foto: dpa, gam soe tba

Sie mordeten aus dem Hinterhalt, nahmen keine Rücksicht, ob wenige oder viele Zivilisten bei Anschlägen gegen die Bundeswehr getötet wurden, kleideten sich als Zivilisten, verkleideten sich als Frauen. Wenn es um den Maßstab geht, den die Taliban in ihrem Krieg gegen die internationalen Truppen für sich beanspruchten, dann sind die Todeslisten, auf die die Militärs die Namen und möglichen Koordinaten Verdächtiger schrieben, die angemessene Reaktion.

Wer die Exekutionen per präziser Raketen durch Drohnen oder Nato-Jets damit erklärt, hat sich in die Situation der kämpfenden Truppe in Afghanistan hineingedacht. Doch entschuldigen kann er sie nur, wenn er die Maßstäbe eines Terrorregimes zur eigenen Handlungsgrundlage macht. Damit wäre er beim genauen Gegenteil dessen angekommen, wofür die Wertegemeinschaft des westlichen Bündnisses eigentlich steht. Rechtstaatlichkeit ist nicht irgendein vages Ziel der westlichen Welt. Es ist die Grundlage für eine funktionierende Demokratie und damit der Garant von Freiheit und Sicherheit.

Mag man in Zeiten von "asymmetrischen Kriegen", in denen klar erkennbare Streitkräfte einer versteckt agierenden militanten Gewalt gegenüberstehen, die Regeln des Völkerrechtes auch weit dehnen, um den von Terror heimgesuchten Staaten einen Gegenschlag zu ermöglichen, so überschreitet das gezielte Töten außerhalb von Gefechten doch eindeutig die Grenzen dessen, was Nationen tun dürfen, wenn sie sich weiter Rechtsstaaten nennen wollen.

Schon die Tötung von Drahtziehern schlimmer Anschläge verstößt gegen die Überzeugung der meisten Staaten, dass Todesurteile die falsche Strafe sind. Ganz besonders gilt das, wenn das Todesurteil per Bombe vollstreckt wird, ohne dass der Verdächtige angeklagt wurde und die Chance auf einen fairen Prozess hatte. Wohin dieses falsche Denken führt, lässt sich aus der Todesliste in Afghanistan ablesen. Darauf sollen sich auch Menschen befunden haben, die dem Hörensagen nach kleinere Delikte begangen haben sollen. Das Todeslisten-System entlarvt seine verbrecherische Dimension spätestens dann, wenn auch geregelt wird, wie viel "Kollateralschaden" im Einzelfall akzeptabel sein soll, wie viele unbeteiligte Menschen also bei der Tötung eines Verdächtigen ihr Recht auf Leben mit verlieren, weil sie zufällig in der Nähe sind oder zum Umfeld des Verdächtigen gehören. Das ist nicht die Reaktion auf Terror, das ist selbst Terror.

Das Bundesverfassungsgericht hat klar entschieden, dass unser Grundgesetz es dem Staat und allen seinen Akteuren verbietet, beim Lebensrecht jedes Einzelnen eine Auswahl zu treffen. Deshalb wurde das Gesetz für nichtig erklärt, nach dem der Verteidigungsminister den Befehl zum Abschuss eines entführten Zivilflugzeuges hätte geben dürfen, um dadurch das Leben vieler anderer Menschen zu retten. Das bindet deutsche Soldaten und deutsche Geheimdienstler nicht nur im In-, sondern auch im Ausland.

Die Bundeswehr steht und stand in Afghanistan natürlich Seite an Seite mit ihren Kameraden aus vielen Ländern der Welt. Und natürlich verließen sich die deutschen Soldaten darauf, dass auch amerikanische Kameraden ihnen zur Hilfe kommen und sie unterstützen. Das gemeinsame Vorgehen gegen die Taliban war deshalb auch im deutschen Interesse. So wie US-Dienste deutsche Soldaten vor aufgeklärten Gefahren warnten, war es selbstverständlich, dass deutsche Dienste sich mit ihren Informationen bei den Amerikanern und anderen Verbündeten revanchierten.

Es ist gut, dass die Bundeswehr von Anfang an klar gemacht hat, dass sie die Namen auf der Liste im Bezug auf ihr eigenes Vorgehen nur so versteht, dass diese aufgespürt und festgenommen werden müssen. So will sie es bei allen militärischen Operationen gehalten haben. Es ist zu hoffen, dass die deutsche Seite bei den Verbündeten immer wieder dafür geworben hat, dass das Töten aufhört und der Rechtsstaat beginnt.

Wenn sich nun Hinweise verstärken, dass auch Deutsche an Namen und Koordinierungsdaten Verdächtiger Empfehlungen geknüpft haben könnten, die nicht die Festnahme sondern die Tötung zum Ziel hatten, dann muss das dringend aufgeklärt werden. Politisch und strafrechtlich.

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