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Bürgermeisterin Virginia Raggi unter Druck Dunkle Wolken über Roms Rathaus

Rom · Wird die als Ikone des Anti-Establishments gewählte Bürgermeisterin Virginia Raggi von einem neofaschistischen Netzwerk gelenkt?

Fundierte Vorwürfe oder obskuren Verschwörungstheorien? Im Fall der römischen Bürgermeisterin Virginia Raggi ist das nur noch schwer zu unterscheiden. Fest steht: Die glamouröse 38-jährige Patentanwältin, die seit Juni im Amt ist und nicht weniger als eine neue Ära für die italienische Hauptstadt versprach, hat immer weniger Aussichten, ihre auf fünf Jahre angelegte Amtszeit zu Ende zu bringen.

Noch steht die systemkritische Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) in Italien offiziell hinter der Bürgermeisterin. Beppe Grillo, Anführer der Bewegung, versicherte Raggi am Freitag seine Solidarität. Aber nicht nur Raggis Situation, auch die Lage der Partei, wird immer prekärer. Schließlich wollen die Fünf-Sterne-Bewegung und ihr umstrittener Anführer Grillo die Parlamentswahlen gewinnen, die spätestens für Februar 2018 angesetzt sind. In den Umfragen stehen die "Grillini" zwar immer noch gut da, sie liegen bei knapp 30 Prozent etwa gleichauf mit der von Ex-Premier Matteo Renzi geführten Demokratischen Partei (PD). Dauert die Affäre um die mit Abstand bekannteste Fünf-Sterne-Politikerin jedoch weiter an, könnten sich viele Sympathisanten schließlich enttäuscht abwenden, fürchtet man in der Führungsspitze der Bewegung.

Am Donnerstagabend hatte die Bürgermeisterin vor Staatsanwälten an einem geheim gehaltenen Ort in Rom acht Stunden lang ausgesagt, weil gegen sie wegen Amtsmissbrauchs und Falschaussage ermittelt wird. Es geht dabei um die äußerst ungewöhnliche Beförderung eines Mitarbeiters der Stadtregierung. Der Betroffene ist der Bruder von Raffaele Marra, dem ehemaligen Personalchef der Stadt Rom, der bis vor Kurzem einer der drei engsten Mitarbeiter der Bürgermeisterin war. Wegen Korruptionsvorwürfen sitzt Marra jedoch seit Mitte Dezember in Haft.

Am Donnerstag wurden nun auch neue Details zum Verhältnis zwischen Raggi und ihrem ehemaligen Bürochef Salvatore Romeo bekannt. Romeo, der nach der Festnahme Marras im Dezember zurücktrat, hatte offenbar bereits im Januar 2016 zwei Lebensversicherungen in Höhe von 33.000 Euro zugunsten von Raggi abgeschlossen. Der Funktionär Romeo und die damalige Stadträtin bereiteten zu diesem Zeitpunkt Raggis Kandidatur für die Wahl des Bürgermeisterkandidaten der römischen Fünf-Sterne-Bewegung vor. Raggi setzte sich bei der Online-Abstimmung dann sehr knapp mit nur 1764 Stimmen durch.

Raggi gibt sich ahnungslos

Die römischen Staatsanwälte ermitteln schon seit Monaten im Fall Romeo. Er soll laut den Staatsanwälten mehrere Lebensversicherungen zugunsten von Fünf-Sterne-Aktivisten abgeschlossen haben. Die Ermittler nahmen während der Ermittlungen seine Bankkonten unter die Lupe. Sie habe nichts von den Lebensversicherungen gewusst, beteuerte die Bürgermeisterin gestern, sie sei erschüttert.

Romeo war von Raggi nach ihrer Wahl im Juni befördert worden, sein Jahresgehalt von 39.000 Euro wurde auf einen Schlag fast verdreifacht. Die Ermittler prüfen nun, ob Zusammenhänge zwischen dem Abschluss der Lebensversicherungen, der Wahl Raggis sowie der Beförderung Romeos bestehen.

Die italienische Presse kolportiert derweil einen weiteren schweren, wenn auch noch nicht bestätigten Verdacht der Staatsanwälte: Demnach könnte hinter der Wahl Raggis zur Kandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung und schließlich zur Bürgermeisterin ein externes Netzwerk gestanden haben. Eine Spur führt dabei in die neofaschistische Szene Roms. Raggis Ex-Vertraute Marra und Romeo, langjährige städtische Mitarbeiter in wichtigen Funktionen, sollen einen engen Draht zum ehemaligen Bürgermeister Gianni Alemanno gehabt haben. Alemanno stammt aus dem neofaschistischen Milieu und fiel während seiner Amtszeit (2008-2013) unter anderem durch systematische Vetternwirtschaft auf. Der Ex-Bürgermeister ist im Rahmen des "Mafia Capitale" genannten Prozesses um ein Netzwerk aus Politik und Unterwelt wegen Korruption angeklagt. Vor der Stichwahl im Juni sprach er sich für Raggi aus.

Ob Alemanno oder sein Umfeld tatsächlich hinter Romeo und Marra stehen und die Bürgermeisterin der Anti-Establishment-Partei nur als Marionette benutzten, ist aber noch völlig unklar. Ebenso ungeklärt ist die Frage, ob die beiden ehemaligen, engen Mitarbeiter Raggis der Bürgermeisterin möglicherweise Stimmen im Gegenzug für andere Gefälligkeiten verschafft haben. Entscheidend ist, wie viel Raggi von diesen Ränken wusste. Sieben Monate nach ihrem Amtsantritt wartet Rom immer noch auf die Einlösung ihres wichtigsten Wahlversprechens: Rückkehr zur Legalität.

(RP)
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