Frankreich Streiks und Proteste zum politischen Herbst

Paris (RPO). Der politische Herbst fängt für die französische Regierung mit Streiks und Protesten an: Noch vor Beginn der Rentendebatte in der Nationalversammlung traten am Montag die Lehrer in Streik, für Dienstag waren auch Arbeitsniederlegungen bei der Bahn, im Öffentlichen Dienst sowie in Banken geplant. Die große Mehrheit der Franzosen befürwortet einer Umfrage zufolge den Protest gegen die Rentenreform, über die ab Dienstag beraten wird.

Sarkozy gibt Interview im Garten des Elysée-Palastes
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Zwar traten die Lehrer am Montag eher zögerlich in Streik - den Gewerkschaften zufolge ließen 30 Prozent der Lehrkräfte die Arbeit ruhen, nach amtlichen Angaben nur sechs Prozent - aber ihr Protest gegen Stellenstreichungen galt ohnehin eher als "Aufwärmtraining" für Dienstag. Um die von Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy angeschobene Rentenreform zu verhindern, hatten sich die Gewerkschaften ausnahmsweise zusammengetan: Allein dies zeige, "dass es um etwas geht", sagte Gewerkschaftsführer Bernard Thibault von der im Radiosender France Inter.

Ségolène Royal protestiert

Bereits ab Montagabend sollten nur noch zwei von fünf Hochgeschwindigkeitszügen fahren, am Dienstag wollten sich auch Beschäftigte bei öffentlich-rechtlichen Medien sowie in der Industrie dem Streik anschließen. Bei großer Beteiligung könne der Tag "zu einem Wendepunkt" werden, sagte Thibault. Auch die frühere französische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal, die Sarkozy bei der Wahl 2007 unterlegen war, warb für den Protest. "Wenn morgen viele Franzosen auf die Straße gehen, muss die Regierung das berücksichtigen", sagte sie dem Radiosender Europe 1.

42 Prozent der Befragten gaben in einer Umfrage für den Nachrichtensender France Info und die Gratiszeitung "20 Minutes" an, die Proteste seien "voll und ganz gerechtfertigt", weitere 31 Prozent fanden sie "eher gerechtfertigt". Während damit insgesamt 73 Prozent den Streik unterstützten, waren 65 Prozent der Befragten der Ansicht, dass er die Regierung wohl nicht von ihrem Vorhaben abbringen werde.

Bevölkerung gegen Arbeitsminister

Arbeitsminister Eric Woerth hatte vor der Rentendebatte im Parlament die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich: 60 Prozent waren in einer am Sonntagabend veröffentlichten Umfrage der Meinung, dass er nicht im Amt bleiben sollte.

Woerth war in den vergangenen Wochen in der Affäre Bettencourt in Verruf geraten: Zum einen soll er während Sarkozys Wahlkampf als Schatzmeister der regierenden Partei UMP eine illegale Parteispende der L'Oréal-Milliardärin Liliane Bettencourt entgegengenommen haben. Zum anderen arbeitete seine Frau für Bettencourts Vermögensverwaltung, während er - damals noch als Haushaltsminister - Steuersündern nachstellte; dies ist pikant, weil Bettencourt dutzende Millionen am französischen Finanzamt vorbei ins Ausland gebracht haben soll.

Die französische Regierung hatte die Rentenreform im Juli verabschiedet. Das Renteneintrittsalter von 60 Jahren soll nun bis 2018 auf 62 Jahre erhöht werden, nachdem der frühere sozialistische Präsident François Mitterrand es 1982 von 65 auf 60 Jahre herabgesetzt hatte. Aus Angst vor wochenlangen Massenprotesten hatte sich seit damals keine Regierung an eine Reform gewagt.

Am Wochenende hatten in Frankreich zehntausende Menschen gegen die Abschiebung von Roma demonstriert.

(AFP)
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