Übergangsregierung in Italien Wirtschaftsexperte Cottarelli erhält Regierungsauftrag

Rom · Präsident Mattarella beauftragt einen Experten für Ausgabenkürzungen mit der Regierungsbildung. Die Chefs von drei großen Parteien stellen sich quer.

 Mit Rollkoffer zum Quirinalspalast: Carlo Cottarelli soll eine Übergangsregierung bilden.

Mit Rollkoffer zum Quirinalspalast: Carlo Cottarelli soll eine Übergangsregierung bilden.

Foto: dpa/Massimo Percossi

Der italienische Präsident Sergio Mattarella hat den Ökonomen Carlo Cottarelli am Montag mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt. Cottarelli soll Italien zu Neuwahlen führen, die möglicherweise schon nach Ende des Sommers abgehalten werden. Zuvor waren die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega damit gescheitert, Mattarella zu überzeugen, dass ihre Ministerkandidaten nicht das Vertrauen von Investoren in den Staat zerstören.

Cottarelli, ein Experte für Ausgabenkürzungen und ehemaliger langjähriger Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds, sagte, er habe Mattarellas Auftrag angenommen, eine Regierung zu bilden, „die das Land zu neuen Wahlen führen wird“.

Die Wahlen vom 4. März hatten zu einer Pattsituation geführt, und an den Anleihemärkten zeichnete sich ab, dass Anleger zurückhaltender damit waren, Italien Geld zu leihen.

Märkte blieben nervös

Cottarelli äußerte die Hoffnung, dass seine Ernennung die Märkte beruhigt. „In den vergangenen paar Tagen haben die Spannungen an den Finanzmärkten zugenommen“, sagte er. „Die italienische Wirtschaft wächst auf jeden Fall und die öffentlichen Finanzen bleiben unter Kontrolle. Eine von mir geführte Regierung würde eine umsichtige Verwaltung der öffentlichen Konten sicherstellen.“

Angesichts der Aussicht, dass die politische Stimmung gegen den Euro in Italien zunimmt und eine Neuwahl bevorsteht, blieben die Märkte nervös. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen stieg weiter, was auf Misstrauen hindeutete. Sie erreichte 2,6 Prozent und war damit deutlich höher als die im April verzeichneten 1,7 Prozent. Die Regierung kann diesen Zinssatz aber noch bewältigen, und er ist wesentlich niedriger als die sieben Prozent, die 2011 zu einem Regierungswechsel führten.

Fünf-Sterne-Bewegung und Lega wollen Cottarelli ablehnen

Vor wenigen Wochen hatte Mattarella den Bürgern gesagt, er werde einen Technokraten auswählen, einen Experten, der keiner Partei angehört, um das Land bis Jahresende zu Neuwahlen zu führen, falls es den Parteien nicht gelinge, sich für das Gemeinwohl der Italiener zusammenzutun und eine lebensfähige Regierung zu bilden. Das passierte schließlich, nachdem Mattarella es am Sonntagabend ablehnte, dem Kandidaten der Populisten für das Amt des Wirtschaftsministers zuzustimmen, der den Geist heraufbeschwor, dass Italien eines Tages aus dem Euro aussteigt.

Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega - beide euroskeptisch - sowie Silvio Berlusconi von der Forza Italia kündigten an, Cottarelli bei den erforderlichen Vertrauensabstimmungen im Parlament abzulehnen. Eine von Cottarelli angeführte Regierung sei „totgeboren“, sagte Manlio Di Stefano von den Fünf Sternen. „Es macht keinen Sinn, ernsthaft darüber zu sprechen.“

Mattarellas Veto verärgerte Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio, der mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten drohte, und Lega-Chef Matteo Salvini, der Mattarella gleichsam die Pistole auf die Brust gesetzt hatte: Wenn er seinen Vorschlag für den Wirtschaftsminister nicht akzeptiere, werde dies zu Wahlkampfnahrung, um Wähler zu erregen, die das Gefühl haben, dass ihr politischer Wille missachtet wurde.

Aufruf zum Protest

Ermutigt durch jüngste Erfolge bei Lokalwahlen sagte Salvini: „Das ist keine Demokratie, das ist kein Respekt vor der Wahl des Volkes.“ Di Maio sagte in einem Facebook-Video, dies sei „der dunkelste Moment in der Geschichte der italienischen Demokratie“. Er rief seine Landsleute auf, friedlich gegen Mattarellas Entscheidung zu protestieren und auf ihr Recht zu bestehen, ihre Regierung auszuwählen.

Cottarelli sagte, falls er die Vertrauensabstimmungen nicht gewinne, werde die Regierung sofort zurücktreten und die Geschäfte routinemäßig führen, bis nach August Wahlen abgehalten würden.

(vek/eler/dpa/AP)
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