Viktor Orban und seine Krisenpolitik Ein ungarischer Drahtseilakt

Budapest · Mit großen Tönen war Viktor Orban als Ministerpräsident von Ungarn angetreten. Doch nun holt das Land die Wirtschaftskrise mit voller Wucht wieder ein. Auf Ramschniveau herabgestuft, Kritik der Europäischen Zentralbank und dazu noch Proteste im eigenen Land. Für den rechtskonservativen Politiker ein herber Rückschlag. Doch der gibt sich stur.

Warum Ungarn ins Visier der Finanzmärkte gerückt ist
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Foto: RPO

Es ist ein wichtiger Tag, dieser Freitag in Ungarn. Denn das Parlament mit ihrer regierenden rechtskonservativen Fidesz-Partei will einige Dinge durch das Abgeordnetenhaus bringen, die für Unmut in der Bevölkerung, aber auch bei der Europäischen Union sorgen. Allen voran jenes Gesetz, dass die Kompetenzen der Zentralbank beschneiden soll.

Denn zwischen Orban und dem Notenbankchef ist die Stimmung alles andere als gut, nachdem Andras Simor die Leitzinsen erhöht hatte - gegen den Widerstand des Regierungschefs. Dabei ist es gerade Orban, der versucht, in Ungarn alles unter seine Kontrolle zu bekommen. Das zeigte etwa das umstrittene Mediengesetz, welches das Verfassungsgericht aber kürzlich in Teilen für ungültig erklärt hatte.

Der benötigte Kredit

Orban jedenfalls möchte die Zentralbank in ihre Schranken weisen. Aber das hat massive Auswirkungen auf die ohnehin marode Wirtschaftssystem. Denn Ungarn braucht dringend Geld, muss im kommenden Jahr auslaufende Anleihen im Volumen von fünf Milliarden Euro refinanzieren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben jedenfalls aus diesem Grund die Gespräche über einen möglichen Kredit auf Eis gelegt.

Am Donnerstag dann der nächste Schlag für das Land. Rund einen Monat nach Moody's stufte auch die Ratingagentur Standard & Poor's das Land auf Ramschniveau herab. Die Begründung: die unsichere politische Entwicklung. Außerdem sei die geplante Einschränkung der Unabhängigkeit der Zentralbank eine Gefahr für die Kreditwürdigkeit des Landes.

Orban aber kündigte an, dass das Gesetz wie geplant kommen werde, was weder IWF noch EZB gefallen dürfte. Und eigentlich kann es sich Ungarn nicht leisten, potenzielle Kreditgeber zu vergraulen. Zumal die wirtschaftlichen Aussichten nicht gerade positiv sind. Wie die "Financial Times Deutschland" schreibt, wurde die Prognose für 2011Schritt für schritt von 3,6 Prozent auf ein Prozent gesenkt. Eigentlich aber hatte Orban etwas ganz anderes versprochen.

Denn der Mann, dessen Partei im August noch ankündigte, Verfahren gegen die früheren sozialistischen Regierungschefs anzustreben wegen der hohen Staatsverschuldung, wollte Ungarn eigentlich vom Druck der Wirtschaftskrise befreien. Auch dafür war er gewählt worden.

Unmut über beschränkte Medienfreiheit

Orban wählte damals wie heute große Worte. "Die Ungarn haben heute das Haupt erhoben und eine ganze Ära verurteilt", sagte der Ministerpräsident vor einem Jahr nach seinem Wahlsieg. Und er versprach vieles: Es sollte ein Programm zur Erneuerung der Wirtschaft und innerhalb von zehn Jahren eine Million neuer Arbeitsplätze geben.

Aber davon ist Ungarn noch weit entfernt, die Retter-Rhetorik Orbans gescheitert. Zumal auch im Volk langsam Unmut über den Ministerpräsidenten wächst. Wie die Deutsche Welle schreibt, haben erst am Donnerstag mehrere tausend Menschen gegen die zunehmende Einschränkung der Medienfreiheit demonstriert. Der Grund: Dem einzigen oppositionellen Rundfunksender in Ungarn war die Sendelizens entzogen worden.

Und der Protest wird wohl auch an diesem Freitag weitergehen. Denn das Parlament will auch eine Regelung einführen, wonach für Gesetze, die im Schnellverfahren verabschiedet werden, statt einer Dreifünftel-Mehrheit nur noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Die Oppositionspartei MSZP bezeichnete das als eine "neue Etappe zur Liquidierung des Parlamentarismus". Und so ruft die Opposition auch zu Protesten gegen Orbans "Diktatur" auf.

(das)
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