Interview: Grundfeste erschüttert "So ist das Weltall wirklich!"

Garching (RP). Der Physik-Nobelpreisträger Theodor Hänsch rüttelt in seinem Garchinger Labor an den Grundfesten des Universums. Für ihn sind in der Physik spannende Zeiten angebrochen. Hänsch (66) ist im Max-Planck-Institut für Quantenoptik Naturkonstanten auf der Spur- und fragt sich, wie konstant sie wirklich sind.

 Theodor Hänsch kann sein Glück kaum fassen.

Theodor Hänsch kann sein Glück kaum fassen.

Foto: ddp, ddp

Die Grundlage dafür liefert ihm die Laserspektroskopie, die er entscheidend prägte - und für die er 2005 mit Hohn Hall und Roy Glauber den Physik-Nobelpreis erhielt.

Ein Interview mit dem Wissenschaftler verrät mehr.

Woher kommt die Leidenschaft für Präzision?
Hänsch:
Weil Präzision in unserer komplexen Welt etwas sehr Schönes ist. Und sie gibt uns die Möglichkeit, Dinge überaus genau zu messen. Beispielsweise Naturkonstanten - und wie konstant sie wirklich sind. Dahinter steckt die Frage, wie weit unser Naturverständnis tatsächlich reicht.

Und was bedeutet es, wenn Naturkonstanten nicht konstant sind?
Dann sind sie nicht mehr gottgegeben, und lassen sich wahrscheinlich nicht mathematisch beschreiben und vorhersagen. Das würde unser Bild vom Universum dramatisch verändern.

Sie rütteln auf der Erde an den Grundfesten des Universums: Was ist das für ein Gefühl?
So als ob man ein wenig hinter einen Vorhang schaut und neue Geheimnisse entdeckt. Vor zehn Jahren hätten wir dabei noch gar nicht daran gedacht, jemals Naturkonstanten so exakt zu vermessen. Mit einer Empfindlichkeit im Experiment, die weit über das hinaus geht, was Astronomen im Weltall beobachten. Und denen stehen im "Naturlabor" Universum eine ganze Menge Daten zur Verfügung.

Es herrscht also zurzeit sehr viel Bewegung in der Physik?
Auf jeden Fall! Dank ultrakalter Gase kommen wir mit Methoden der Atomphysik Phänomenen wie der Supraleitung auf die Spur. Das ist eine sehr, sehr aufregende Entwicklung.

Hätten Sie gedacht, dass die Physik solche Fortschritte macht?
Von Monat zu Monat schreitet der Forschritt viel zu langsam voran, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt viel rasanter als man glaubt. Und auf einmal steht man selbst staunend vor der Entwicklung. Mein Bonner Wissenschaftskollege Dieter Meschede beispielsweise spielt mit ultrakalten Atomen wie mit Bauklötzchen. Das ist faszinierend.

Bedeutet der Nobelpreis für Sie mehr Vor- oder Nachteile?
Es bedeutet zunächst einmal, dass ich weiterforschen darf. Und das ist eine Chance, die ich natürlich gerne nutze, aber es bedeutet auch, dass ich mehr im Fokus der Politik und Öffentlichkeit stehe. Meine Stimme findet Gehör, meine Meinung ist gefragt. Damit sind viele Verpflichtungen verbunden, die mich wieder aus der Forschung rausreißen.

Was macht Ihnen an der Forschung Spaß?
Jetzt gerade? Nun, Forschung besteht aus vielen Facetten. Und manchmal sind es Kleinigkeiten, die einen beschäftigen und deren Lösung Spaß macht. Zurzeit denke ich darüber nach, wie man optische Resonatoren gegen Vibrationen absichern kann.

Erst das macht so präzise Messungen möglich, wie wir sie brauchen. Das Problem klingt simpel, aber es braucht schon jede Menge Tricks dazu.

Sie wollten immer Physiker werden?
Ich wollte immer Wissenschaftler werden. Da boten sich Chemie, Biologie, Medizin und die Physik an. Aber weil ich mir nicht gut Dinge ohne logischen Zusammenhang merken kann, habe ich mich für Physik entschieden. Da kann ich mit ein paar grundlegenden Kenntnissen alles andere logisch herleiten - wenn ich die Physik dahinter verstanden habe.

Oft wird bemängelt, dass junge Leute kein Interesse an Naturwissenschaften haben. Glauben Sie das auch?
Junge Menschen sind doch von Natur aus neugierig. Darauf müssen wir schon im frühen Alter aufbauen und mehr tun, um spielerisch die Lust und Leidenschaft für Wissenschaft zu wecken.

Bei so viel Leidenschaft für Präzision - wie aufgeräumt ist Ihr Schreibtisch? Im Labor - überhaupt nicht. Zuhause räume ich ihn auf.

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